Leiharbeitnehmer regelmäßig auswärts tätig
BFH 15.5.2013, VI R 18/12Der Kläger war im Streitjahr (2009) Leiharbeitnehmer bei der Firma F, einer gemeinsamen Tochtergesellschaft der Firmen A und B. F bot am Flughafen Z eine Reihe von Dienstleistungen an und war dabei insbes. auf die Vermittlung von Fachkräften in den Bereichen Bodenverkehrs- und Luftfahrtdienste, Flugzeuginstandhaltung und Flugzeugreinigung spezialisiert. Das Arbeitsverhältnis des Klägers war zunächst bis Ende 2007 befristet, ab September 2007 als Vollzeitarbeitstätigkeit ausgestaltet und wurde ab Ende 2009 als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortgeführt. Der befristete Mitarbeitervertrag sah vor, den Kläger u.a. am Flughafen Z einzusetzen.
Vereinbart war, dass der Kläger an verschiedenen Einsatzorten in Kundenbetrieben beschäftigt werden sollte, bei Bedarf auch zu auswärtigen Arbeitsleistungen verpflichtet war und jederzeit vom Kundeneinsatz abberufen und auch anderweitig außerhalb des Flughafens Z eingesetzt werden konnte. Seinen Dienstplan mit Arbeitszeiten und -orten sollte er jeweils freitags für die Folgewoche bei der F erhalten. Der Kläger war von Beginn an ausschließlich bei einem Kunden der F, der Firma K, eingesetzt, einem hundertprozentigen Tochterunternehmen der B. Der Kläger war im Terminalbereich innerhalb des eingezäunten Flughafengeländes für alle dort startenden und landenden Fluggesellschaften eingesetzt und parkte sein Fahrzeug auf einem der Mitarbeiterparkplätze des Flughafens.
Der Kläger machte mit seiner Einkommensteuererklärung des Streitjahrs Fahrtkosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten in Höhe von 5.535 € (205 Arbeitstage x 45 km einfache Entfernung x 0,30 € x 2) geltend. Demgegenüber berücksichtigte das Finanzamt die Fahrtkosten nur als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG mit 0,30 € pro Entfernungskilometer i.H.v. insgesamt 2.767,50 € (205 Arbeitstage x 45 km einfache Entfernung x 0,30 €).
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der als Leiharbeitnehmer tätige Kläger war an keiner regelmäßigen Arbeitsstätte tätig.
Eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist jede dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig im Betrieb des Arbeitgebers oder im Zweigbetrieb der Fall, nicht aber bei der Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers. Der Senat hat die Frage, ob eine Tätigkeitsstätte beim Kunden des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte sein kann, ebenso verneint wie die, ob ein Leiharbeitnehmer typischerweise über eine regelmäßige Arbeitsstätte verfügt sowie ob in sog. Outsourcing-Fällen Arbeitnehmer weiterhin an einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig werden.
Entscheidend dafür war jeweils insbes. der von vornherein fehlende oder nachträglich entfallende örtliche Bezug zum Arbeitgeber. Denn ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich dann nicht an einer regelmäßigen Tätigkeitsstätte, sondern auswärts tätig, wenn er außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Tätigkeitsstätte (Betrieb, Zweigbetrieb oder Betriebsstätte) tätig wird, wie dies insbes. bei Leiharbeitnehmern, aber auch bei allen anderen Arbeitnehmern der Fall ist, die vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig werden. Insoweit gilt eine generalisierende und typisierende Betrachtungsweise.
Neue Tatumstände, aufgrund derer die Tätigkeit im Vergleich zum vorangegangenen Veranlagungszeitraum neu und ggf. auch davon abweichend zu beurteilen wäre, liegen dann nicht vor, wenn die vertraglichen Grundlagen für die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers unverändert fortbestehen und lediglich nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Streitjahrs es im Nachhinein den Anschein hat, als ob der als Leiharbeitnehmer tätige Steuerpflichtige an seinem jeweiligen Einsatzort fortdauernd und nachhaltig tätig werde. Vorliegend ist die Würdigung, dass der Kläger als Leiharbeitnehmer sich auch künftig auf die Arbeitsstelle am Flughafen werde einrichten können, eine Prognose, die sich auf eine ex post Betrachtung stützt, indem sie das in vorangegangenen Veranlagungszeiträumen Praktizierte auf zukünftige Veranlagungszeiträume projiziert.
Dies widerspricht aber gerade dem Grundsatz, dass die Beurteilung einer regelmäßigen Arbeitsstätte sich unter Berücksichtigung des vorgefundenen Rechtsrahmens aus einer typisierenden ex ante Betrachtung ergibt. Bei einem unveränderten Rechtsrahmen wird ein Leiharbeitnehmer, der eben typischerweise nicht in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird, sich auf den Ort, die Dauer und die weitere konkrete Ausgestaltung der dort von ihm zu verrichtenden Tätigkeit auch dann nicht für die Zukunft einstellen können, wenn er nach der bisher praktizierten betrieblichen Übung nahezu ausschließlich an einem bestimmten Ort tätig gewesen war. Die Aufwendungen des Klägers für Fahrten an seine Beschäftigungsorte waren danach nicht mit der Entfernungspauschale, sondern mit seinen tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen.
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