28.08.2019

Leistungsaustausch bei Kündigung des Werkvertrags im Rahmen von Architektenleistungen

Wird der Werkvertrag nach teilweiser Erbringung der Werkleistung gekündigt, unterliegt auch der Anspruch aus § 649 Satz 2 a.F. BGB der Umsatzsteuer.

Niedersächsisches FG v. 28.2.2019 - 5 K 214/18
Der Sachverhalt:
Streitig ist die Frage, ob eine Zahlung auf der Grundlage des § 649 Satz 2 BGB a.F. der Umsatzsteuer unterliegt. Der Kläger ist selbständiger Landschaftsarchitekt. Der Kläger schloss mit dem WM-Kreis einen Architektenvertrag über die Gestaltung von Freianlagen zweier Schulen in G im Zeitraum 2012 bis 2015. Nach den im Vertrag in Bezug genommenen "Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten- und Ingenieurleistungen" können Auftraggeber und Auftragnehmer den Vertrag nur aus wichtigem Grund schriftlich kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Baumaßnahme nicht durchgeführt oder nicht weitergeführt wird.

Ziffer 8.2.der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten- und Ingenieurleistungen bestimmt: "Wird aus einem Grund gekündigt, den der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, erhält er für die ihm übertragenen Leistungen die vereinbarte Vergütung nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB. Im August 2016 teilte der WM-Kreis dem Kläger mit, dass eines der Projekte nicht mehr realisiert wird und bat den Kläger, eine Schlussrechnung zu erstellen. Der Kläger erteilte diese im Januar 2017, und ermittelte eine Gesamtvergütung erbrachter und nicht erbrachter Leistungen von rd. 310.000 €. Nach Abzug bereits geleistete Abschlagszahlungen verblieb danach ein Betrag i.H.v. rd. 277.000 €. Im Februar 2017 wurde die Kündigung des Architektenvertrages ausgesprochen.

In einem gemeinsamen Gespräch zwischen dem Kläger und dem WM-Kreis einigten sich die Vertragsbeteiligten darauf, dass der Kläger für die tatsächlich bereits erbrachten Planungsleistungen ein Honorar i.H.v. rd. 23.000 € erhält. Außerdem zahlt der WM-Kreis dem Kläger laut Gesprächsprotokoll "ein Ausfallhonorar i.H.v. rd. 52.000 € (ohne Umsatzsteuer)". Damit sollen sämtliche Ansprüche aus dem Architektenvertrag abgegolten sein. Der Kläger behandelte das Honorar für die bereits erbrachten Leistungen als steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz zum Regelsteuersatz von 19 %. Das Ausfallhonorar sah er hingegen als nicht steuerbar an. Das Finanzamt schloss sich dieser Ansicht nicht an. Es handele sich vielmehr um eine Gegenleistung für den Verzicht des Klägers auf Erfüllung des Architektenvertrages. Damit bestehe ein Leistungsaustauschverhältnis, so dass der Nettobetrag von rd. 44.000 € aus dem Zahlungsbetrag zusätzlich umsatzsteuerlich zu erfassen sei.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die beim BFH anhängige Revision des Klägers wird dort unter dem Az. V R 13/19 geführt.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat im Ergebnis zu Recht die gesamte Zahlung des WM-Kreises an den Kläger der Umsatzsteuer unterworfen.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist. Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Deshalb kommt es auf die Frage, ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird, nicht an.

Im Streitfall beruht die gesamte Zahlung des WM-Kreises auf einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch im oben genannten Sinne. Denn bereits der Vertrag von 2012 nimmt hinsichtlich des für die Architektenleistung des Klägers zu erbringenden Honorars ausdrücklich Bezug auf die Regelung des § 649 Satz 2 a.F. BGB. Danach ist der Unternehmer im Falle der Kündigung durch den Besteller berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Der Streitfall weist demgegenüber lediglich die Besonderheit auf, dass die vom Honorar abzuziehenden ersparten Aufwendungen nach Ziffer 8.2. Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten- und Ingenieurleistungen auf 40% bzw. 60% (je nach Leistungsphase) des Honorars pauschaliert werden.

Insofern haben sich die Vertragsparteien im Rahmen des Gesprächs im März 2017 nicht auf die Zahlung eines Schadensersatzes an Stelle des vertraglich geschuldeten Honorars geeinigt, sondern das dem Kläger bereits nach dem ursprünglichen Vertrag für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags zustehende Honorar zahlenmäßig konkretisiert. Diese Konkretisierung war erforderlich, weil der Vertrag auch für den Fall der vollständigen Realisierung des Projekts kein betragsmäßig feststehendes Honorar bestimmte, sondern nur die Parameter festlegte, nach dem der Honoraranspruch des Klägers zu berechnen war. Dieser auch hier gedanklich zu bestimmende Honoraranspruch bei vollständiger Umsetzung des Projekts war um die pauschalierten Abschläge für die nicht realisierten Leistungsphasen zu kürzen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger insgesamt ein Entgelt als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Architektenleistung erhielt und damit ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vorliegt.

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