Leistungsempfänger als Steuerschuldner: Verjährung beim leistenden Unternehmer
Niedersächsisches FG v. 7.6.2019 - 5 V 123/18
Der Sachverhalt:
Die antragstellende Tischlerei errichtete im Jahre 2009 eine Treppenanlage für ein Bauträgerunternehmen (Firma I). Die Vertragspartner gingen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung davon aus, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Aus diesem Grunde wies die Antragstellerin in der Rechnung keine Umsatzsteuer aus. Dementsprechend war der entsprechende Umsatz in der im Dezember 2010 beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuererklärung 2009 nicht enthalten. Das Finanzamt stimmte der Umsatzsteuererklärung 2009 im Jahr 2011 zu, so dass die Erklärung nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand. Entsprechend verfuhr die Antragstellerin hinsichtlich zweier weiterer Umsätze, die sie in den Jahren 2011 und 2012 an die Firma I erbrachte.
Im Anschluss an das Urteil des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) beantragte die Firma I mit Schreiben vom 30.12.2014 die Erstattung der seinerzeit als Steuerschuldnerin gezahlten Umsatzsteuer. Das Finanzamt forderte die Antragstellerin auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2009 (und für 2011 und 2012) einzureichen. Auf die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land Niedersachsen abzutreten, wies das Finanzamt die Antragstellerin hin. Hinsichtlich der Umsätze der Jahre 2011 und 2012 schloss die Antragstellerin mit dem Land Niedersachsen einen Abtretungsvertrag über den Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger, nicht aber für 2009. Insoweit vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei und der Umsatzsteuerbescheid 2009 nicht mehr geändert werden könne.
Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid 2009 erhöhte der Antragsgegner im Jahr 2018 die Umsätze zum Regelsteuersatz. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den das Finanzamt bislang noch nicht entschieden hat, und beantragte zunächst dort die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid ab.
Das FG gab dem Antragstatt. Die beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. VIII R 7/19 geführt.
Die Gründe:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Umsatzsteuerbescheides 2009 aus dem Jahr 2018. Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen überschlägigen Prüfung erscheint es hinreichend wahrscheinlich, dass dem geänderten Bescheid der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegensteht.
Die Festsetzungsfrist beträgt bei der Umsatzsteuer nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre; sie beginnt gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige beim Finanzamt seine Steuererklärung eingereicht hat. Da die Antragstellerin ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Dezember 2010 abgegeben hat, endete die Festsetzungsfrist regulär mit Ablauf des 31.12.2014, d.h. im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheides im Jahr 2018 war diese Frist bereits seit geraumer Zeit abgelaufen.
Etwas anderes würde sich dann ergeben, wenn der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt wäre. Es erscheint jedoch fraglich, ob hier die tatbestandlichen Voraussetzungen § 171 Abs. 14 AO, auf den sich das Finanzamt beruft, tatsächlich gegeben sind. Nach § 171 Abs. 14 AO endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht zahlungsverjährt ist. Es muss folglich ein Zusammenhang zwischen Erstattungsanspruch und Steueranspruch bestehen.
Ein Erstattungsanspruch hängt dann mit dem Steueranspruch i.S.d. § 171 Abs. 14 AO zusammen, wenn er ein Reflex der geänderten Steuerfestsetzung ist. Ein derartiger Zusammenhang besteht aber nur zwischen der geänderten Steuerfestsetzung bei der Firma I und dem daraus resultierenden Steuererstattungsanspruch, nicht aber zwischen der Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin und dem Erstattungsanspruch der Firma I. Der Steuererstattungsanspruch der Firma I ist nicht Folge einer geänderten Steuerfestsetzung bzw. beruht auf der Erkenntnis der Unwirksamkeit der Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin; vielmehr ist umgekehrt die Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin Folge der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die Firma I.
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Die antragstellende Tischlerei errichtete im Jahre 2009 eine Treppenanlage für ein Bauträgerunternehmen (Firma I). Die Vertragspartner gingen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung davon aus, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Aus diesem Grunde wies die Antragstellerin in der Rechnung keine Umsatzsteuer aus. Dementsprechend war der entsprechende Umsatz in der im Dezember 2010 beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuererklärung 2009 nicht enthalten. Das Finanzamt stimmte der Umsatzsteuererklärung 2009 im Jahr 2011 zu, so dass die Erklärung nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand. Entsprechend verfuhr die Antragstellerin hinsichtlich zweier weiterer Umsätze, die sie in den Jahren 2011 und 2012 an die Firma I erbrachte.
Im Anschluss an das Urteil des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) beantragte die Firma I mit Schreiben vom 30.12.2014 die Erstattung der seinerzeit als Steuerschuldnerin gezahlten Umsatzsteuer. Das Finanzamt forderte die Antragstellerin auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2009 (und für 2011 und 2012) einzureichen. Auf die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land Niedersachsen abzutreten, wies das Finanzamt die Antragstellerin hin. Hinsichtlich der Umsätze der Jahre 2011 und 2012 schloss die Antragstellerin mit dem Land Niedersachsen einen Abtretungsvertrag über den Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger, nicht aber für 2009. Insoweit vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei und der Umsatzsteuerbescheid 2009 nicht mehr geändert werden könne.
Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid 2009 erhöhte der Antragsgegner im Jahr 2018 die Umsätze zum Regelsteuersatz. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den das Finanzamt bislang noch nicht entschieden hat, und beantragte zunächst dort die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid ab.
Das FG gab dem Antragstatt. Die beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. VIII R 7/19 geführt.
Die Gründe:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Umsatzsteuerbescheides 2009 aus dem Jahr 2018. Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen überschlägigen Prüfung erscheint es hinreichend wahrscheinlich, dass dem geänderten Bescheid der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegensteht.
Die Festsetzungsfrist beträgt bei der Umsatzsteuer nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre; sie beginnt gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige beim Finanzamt seine Steuererklärung eingereicht hat. Da die Antragstellerin ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Dezember 2010 abgegeben hat, endete die Festsetzungsfrist regulär mit Ablauf des 31.12.2014, d.h. im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheides im Jahr 2018 war diese Frist bereits seit geraumer Zeit abgelaufen.
Etwas anderes würde sich dann ergeben, wenn der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt wäre. Es erscheint jedoch fraglich, ob hier die tatbestandlichen Voraussetzungen § 171 Abs. 14 AO, auf den sich das Finanzamt beruft, tatsächlich gegeben sind. Nach § 171 Abs. 14 AO endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht zahlungsverjährt ist. Es muss folglich ein Zusammenhang zwischen Erstattungsanspruch und Steueranspruch bestehen.
Ein Erstattungsanspruch hängt dann mit dem Steueranspruch i.S.d. § 171 Abs. 14 AO zusammen, wenn er ein Reflex der geänderten Steuerfestsetzung ist. Ein derartiger Zusammenhang besteht aber nur zwischen der geänderten Steuerfestsetzung bei der Firma I und dem daraus resultierenden Steuererstattungsanspruch, nicht aber zwischen der Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin und dem Erstattungsanspruch der Firma I. Der Steuererstattungsanspruch der Firma I ist nicht Folge einer geänderten Steuerfestsetzung bzw. beruht auf der Erkenntnis der Unwirksamkeit der Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin; vielmehr ist umgekehrt die Steuerfestsetzung bei der Antragstellerin Folge der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die Firma I.
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