Lieferung von Pocket-Bikes im Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen
FG Berlin-Brandenburg 10.5.2011, 5 K 5070/08Die Klägerin lieferte im Streitjahr sog. Pocket-Bikes an Privatpersonen und Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet. Pocket-Bikes sind kleine Zweiräder, die bis 24 kg schwer sein können und die Maße 110 cm x 50 cm x 50 cm nicht überschreiten. Die Sitzhöhe liegt etwa bei 40 bis 50 cm. Die Motorisierung besteht aus einem Einzylinder-Zweitaktmotor, der zwischen 1,6 und 16 PS stark sein kann. Höchstgeschwindigkeiten liegen teilweise über 70 km/h.
Optisch ähneln die Pocket-Bikes in der Regel existierenden Motorrädern, zum Teil in Form von möglichst exakten Kopien. Die von der Klägerin gelieferten Pocket-Bikes sind in Deutschland nicht für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen, weil sie die Anforderungen der Straßenverkehrszulassungsordnung nicht erfüllen.
In den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen behandelte die Klägerin die Lieferung der Pocket-Bikes an Privatpersonen im übrigen Gemeinschaftsgebiet als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen neuer Fahrzeuge. Dem folgte das Finanzamt im Anschluss an eine im Jahr 2007 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für 2006 entsprechend erhöht fest.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Die von der Klägerin gelieferten Pocket-Bikes unterliegen der Umsatzsteuer.
Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen von der Umsatzsteuer befreit. Der Erwerb eines neuen Fahrzeugs ist nach § 1b Abs. 1 UStG unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG ein innergemeinschaftlicher Erwerb und damit eine innergemeinschaftliche Lieferung. Fahrzeuge i.S.d. Regelung sind u.a. motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 qm oder einer Leistung von mehr als 7,2 kW. Nach Art. 28a Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie unterliegt der Mehrwertsteuer u.a. der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge, die zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind.
Die Voraussetzungen des § 1b UStG und des Art 28a der Richtlinie liegen in Bezug auf die von der Klägerin vertriebenen Pocket-Bikes nicht vor, weil es sich nicht um Fahrzeuge i.S.d. genannten Normen handelt. Art. 28a Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie verlangt, dass die Fahrzeuge zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind. Dies erfordert, dass die Fahrzeuge den Hauptzweck haben, Personen oder Güter zu befördern, das heißt von einem Ort zu einem anderen zu verbringen. Das ist bei den von der Klägerin gelieferten Pocket-Bikes nicht der Fall.
Deren Hauptzweck besteht demgegenüber in der Durchführung sportlicher Wettkämpfe oder - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - im "Umherfahren auf privaten Geländen". Auf die Frage, ob die Pocket-Bikes zum Straßenverkehr zugelassen werden können, kommt es dabei nicht an. Die Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht daraus, dass § 1b UStG - im Unterschied zu Art. 28a Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie - nicht ausdrücklich verlangt, dass die Fahrzeuge zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sein müssen. § 1b UStG ist gleichwohl richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass stets eine Bestimmung der Fahrzeuge zur Personen- oder Güterbeförderung vorliegen muss.
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