Mit Löschung einer Ltd. im englischen Handelsregister endet die Vertretungsbefugnis des bisherigen Vertreters
FG Münster 11.5.2011, 9 V 3872/10 KDas Finanzamt hatte aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung gegen die Antragstellerin, eine "private company limited by shares" (Ltd.) mit Sitz in England, aufgrund des An- und Verkauf eines in Deutschland belegenen Grundstücks Körperschaftsteuer festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin bereits im englischen Companies House (Handelsregister) gelöscht und aufgelöst.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob eine deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft für die Ltd. Klage und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Körperschaftsteuer. Die Prozessvertreter beriefen sich hierbei auf eine vom "director" der Ltd. - nach Löschung der Gesellschaft - erteilte Prozessvollmacht.
Das FG lehnte den Antrag ab. Es ließ allerdings wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zugelassen. Das Hauptsacheverfahren wird unter dem Az. 9 K 3871/10 geführt.
Die Gründe:
Der Antrag war unzulässig, da der für die Antragstellerin aufgetretene Prozessvertreter seine Bevollmächtigung nicht durch eine wirksam erteilte schriftliche Vollmacht nachgewiesen hatte. Der Mangel der Vollmacht war vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen, obwohl das Finanzamt diesen nicht gerügt hatte und der Prozessvertreter eine Gesellschaft i.S.v. § 62 Abs. 2 S. 1 FGO ist.
Zwar war die nach englischem Zivilrecht infolge der Löschung beendete Ltd. - wie auch inländische Kapitalgesellschaften - für Zwecke des Besteuerungsverfahrens solange als fortbestehend anzusehen, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat. Allerdings konnte die Ltd. nicht mehr durch den bisher vertretungsberechtigten "director" handeln. Infolgedessen konnte der bisherige "director" mangels fortbestehender Vertretungsmacht auch nicht mehr die Prozessvertreter wirksam bevollmächtigen.
Nach englischem Gesellschaftsrecht kann eine aufgelöste Ltd. offenbar nur durch eine Rückgängigmachung der Registerlöschung ("restoration to the register") wieder handlungsfähig werden. Der Senat hielt es allerdings für naheliegend, dass für eine aufgelöste, aber für steuerrechtliche Zwecke in Deutschland als fortbestehend geltende Ltd. jedenfalls dann die für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht bestehenden Grundsätze bzw. Verfahren entsprechend herangezogen werden können, wenn die Ltd. - wie hier - ihren Verwaltungssitz in Deutschland hatte bzw. ausschließlich in Deutschland wirtschaftlich tätig war.
Für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht kann analog § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG, § 273 Abs. 4 AktG vom Registergericht ein Nachtragsliquidator bestellt werden und für die als fortbestehend geltende Gesellschaft handeln. Im Ergebnis konnte dies jedoch im Streitfall offen bleiben, da vorliegend niemand als Nachtragsliquidator bestellt worden war. Gleiches galt für die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung des Weiteren aufgebrachte Möglichkeit zur Bestellung eines Pflegers nach § 1913 BGB. Eine solche war vorliegend ebenfalls unterblieben.
Der Senat legte die Prozesskosten dem ehemaligen "director" der Ltd. auf, da dieser durch seine - unwirksame - Vollmachtserteilung das gerichtliche Verfahren verursacht habe.
Hintergrund:
Die Entscheidung könnte - über das Prozessrecht hinaus - weitergehende Bedeutung haben. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Finanzämter an eine zivilrechtlich beendete Ltd. noch Steuerbescheide bekannt geben können. Fehlt es nämlich an einer fortbestehenden Vertretungsberechtigung des bisherigen "directors", müsste die Behörde beim Registergericht die Bestellung eines Nachtragsliquidators beantragen, um dem Risiko einer unwirksamen Bekanntgabe der Steuerbescheide vorzubeugen.
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