14.07.2016

Mitteilungspflicht des Finanzamtes gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse über die Höhe der Einkünfte des Ehegatten eines Versicherten

Nach § 31 Abs. 2 AO sind die Finanzbehörden ermächtigt und verpflichtet, den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung sämtliche relevanten Daten des Betroffenen mitzuteilen, die für die Einschätzung der Versicherungspflicht sowie die Beitragsfestsetzung von Bedeutung sind; die Vorschrift enthält keine Begrenzung des Personskreises. Seit 1.8.2014 ist nicht nur für freiwillig hauptberuflich selbständige Mitglieder, sondern für alle freiwillig Versicherten die Festsetzung von Höchstbeiträgen möglich, sofern das Mitglied auf Verlangen der Krankenkasse Beitragspflichtige Einnahmen nicht nachweist.

FG Baden-Württemberg 22.4.2016, 13 K 1934/15
Der Sachverhalt:
Der Ehemann der Klägerin ist Rentner und seit Juli 2011 freiwilliges, nicht hauptberuflich selbständiges Mitglied einer gesetzlichen Krankversicherung; die Klägerin ist kein Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung. Seit dem Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Ehemann streitet dieser mit der Krankenkasse über die Berechtigung der Krankenkasse, in die Bemessungsgrundlage des von ihm zu entrichtenden Mitgliedsbeitrages ergänzend das Einkommen der Klägerin einzubeziehen. Da sich der Ehemann gegenüber der Krankenkasse weigerte, das Einkommen der Klägerin mitzuteilen, forderte die Krankenkasse das Finanzamt unter Berufung auf § 31 Abs. 2 AO, § 21 Abs. 4 SGB X und § 240 Abs. 5 SGB V sowie § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz auf, ihr die Einkünfte der Ehegatten mitzuteilen.

Das Finanzamt teilte nach Prüfung der Sach- und Rechtslage und diverser Rückfragen an die Krankenkasse dieser im auf deren Vordruck die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb sowie die Einkünfte des Ehemannes für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 mit. In der Spalte für 2013 trug die Behörde "keine Daten" ein. Daraufhin wandte sich die Klägerin gegen Weitergabe ihrer Daten an die Krankenkasse und forderte das Finanzamt dazu auf, künftig keine entsprechenden Daten mehr weiter zu geben. Gleichzeitig bat sie um Bestätigung, dass künftig keine Daten mehr weitergeben werden.

Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, § 31 AO erfasse auch die Weitergabe von Daten Dritter, soweit diese zur Beitragsfestsetzung erforderlich seien. Das FG wies die Klage größtenteils ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Nach § 31 Abs. 2 AO sind die Finanzbehörden ermächtigt und verpflichtet, den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung sämtliche relevanten Daten des Betroffenen mitzuteilen, die für die Einschätzung der Versicherungspflicht sowie die Beitragsfestsetzung von Bedeutung sind. Die Vorschrift enthält keine Begrenzung des Personskreises, sondern spricht nur von dem "Betroffenen" und nicht etwa vom Steuerpflichtigen oder von einem eingeschränkten Personenkreis wie in § 31 Abs. 3 AO. Demnach ist Betroffener nicht nur das beitragspflichtige Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung selbst, sondern auch eine dritte Person, deren Verhältnisse für die Beitragsfestsetzung relevant sind.

Nach § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz setzen sich die beitragspflichtigen Einnahmen bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz nicht einer Krankenkasse nach § 4 Abs. 2 SGB V angehört, aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammen. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte zur Weitergabe der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin an die Krankenkasse berechtigt und verpflichtet, soweit sie die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2014 betreffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz um eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung der Einkünfte der Klägerin in Bemessungsgrundlage für die Beiträge des Ehemannes. Der Gesetzgeber hat insoweit alle wesentlichen Regelungen selbst getroffen, weshalb der Spitzenverband Bund der Krankenkassen § 2 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz rechtsverbindlich erlassen durfte.

Der Antrag der Klägerin ist allerdings begründet, soweit er die Veranlagungszeiträume ab 2015 betraf. Denn mit Art. 1 Nr. 16a GKV-FQWG vom 21.7.2014 wurde § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V mit Wirkung zum 1.8.2014 ein neuer zweiter Hs. angefügt. Seitdem bestimmt § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V generell, dass, sofern und solange freiwillige Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkassen nicht vorlegen, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) gilt. Folge dieser Regelung ist, dass nunmehr nicht nur für freiwillig hauptberuflich selbständige Mitglieder, sondern für alle freiwillig Versicherten die Festsetzung von Höchstbeiträgen möglich ist, sofern das Mitglied auf Verlangen der Krankenkasse Beitragspflichtige Einnahmen nicht nachweist. Die Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen ist daher ab dem Veranlagungszeitraum 2015 für alle freiwilligen Versicherten - ebenso wie zuvor für freiwillige, hauptberuflich selbständige Versicherte - für die Beitragsbemessung nicht mehr erforderlich i.S.d. § 31 Abs. 2 S. 1 AO.

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