12.08.2016

Monatsbezogene Betrachtungsweise bei Berechnung der Opfergrenze?

Die Opfergrenze findet Anwendung, wenn der Unterhaltsverpflichtete mit dem Unterhaltsberechtigten in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, die nicht die Voraussetzungen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft erfüllt. Ist ein gesetzlich unterhaltsverpflichteter Steuerpflichtiger gegenüber seinem unterhaltsberechtigten Sohn nicht ganzjährig zum Unterhalt verpflichtet, ist dies bei der Berechnung der Opfergrenze durch eine Kürzung der hierfür anzusetzenden 5%-Pauschale zu berücksichtigen.

FG Saarbrücken 5.4.2016, 2 K 1213/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist verheiratet und wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer verlangt. Im Streitjahr 2011 hatte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 38.002 € bezogen und einen Verlust aus Gewerbebetrieb (Betrieb einer Photovoltaikanlage) i.H.v. 144 € erwirtschaftet. Seine Frau hatte keine Einkünfte.

Im Haushalt des Klägers leben seine drei Söhne A, B und C. Der A war im Streitjahr Student und erhielt BAföG i.H.v. monatlich 218 bzw. 277 €. Der B war Schüler. Er ist zu 70% behindert. Im Streitjahr erzielte er Bruttoeinkünfte i.H.v. 1.347 € aus nichtselbständiger Arbeit. Der C. erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 8.335 € brutto und bezog für ca. zwei Monate Arbeitslosengeld. Ab Oktober 2011 war er an der Hochschule für Technik und Wissenschaft immatrikuliert und der Kläger erhielt Kindergeld für ihn.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 machte der Kläger Unterhaltsleistungen i.H.v. 16.008 € für A und B als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG geltend. Das Finanzamt ließ nach Anwendung der Opfergrenze nur 9.216 € zum Abzug zu. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er war der Ansicht, Unterhaltsaufwendungen seien i.H.v. insgesamt 14.782 € und ohne Anwendung der Opfergrenze zu berücksichtigen. Diese sei bei Unterhaltsleistungen an Personen, mit denen eine Haushaltsgemeinschaft (sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft) bestehe, nicht mehr anwendbar. Außerdem würden die Regelungen zur Berechnung der Opfergrenze gegen Art. 3 GG verstoßen, da sie einkommensschwächere Personen benachteilige.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Klage war nur insoweit begründet, als der Kläger den Abzug von weiteren Unterhaltsaufwendungen i.H.v. 909 € begehrt hatte.

Der Kläger war dem Grunde nach berechtigt, Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen. Die Söhne A und B waren als Verwandte in gerade Linie im Streitjahr dem Grunde nach zum Unterhalt berechtigt (§ 1601 i.V.m. § 1589 Abs. 1 BGB). Sie verfügten nicht über ausreichende eigene Einkünfte und Bezüge oder eigenes Vermögen und waren daher auch nach § 1602 BGB bzw. § 33a Abs. 1 S. 4 EStG bedürftig. Schließlich erhielt der Kläger für A und B kein Kindergeld, da sie das 25. Lebensjahr bereits vollendet hatten.

Bei der Ermittlung der Höhe der abziehbaren Unterhaltsaufwendungen kam allerdings die sog. Opfergrenze zur Anwendung. Der Verzicht auf die Anwendung der Opfergrenze beruht nämlich - anders als der Kläger meinte - nicht schon darauf, dass er zusammen mit einer mittellosen Person in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, sondern ist vom Bestehen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft und von der Kürzung zum Unterhalt bestimmter öffentlicher Mittel abhängig. Der Kläger lebt aber mit seinen Söhnen weder in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft, noch wurden den Söhnen deswegen entsprechende öffentliche Mittel gekürzt. Sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaften sind in § 7 Abs. 3 SGB II abschließend definiert. Der Kläger und seine Söhne erfüllen jedoch nicht die dort aufgezählten Merkmale. Sie bilden damit eine bloße Haushaltsgemeinschaft, bei der es an einem der in § 7 Abs. 3 SGB II normierten personalen Bezüge fehlt.

Es war allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger im Streitjahr für C lediglich für 3 Monate unterhaltspflichtig war. Die Opfergrenze betrug daher 41,75% des Nettoeinkommens, und es waren Unterhaltsaufwendungen von insgesamt 10.125 € zum Abzug zuzulassen. Der BFH hat aus Gründen der Vorhersehbarkeit und Einfachheit bei der Ermittlung steuerlicher Berechnungsgrößen wie der Opfergrenze die im BMF-Schreiben vom 7.6.2010 (BStBl I 2010, 582) vorgesehene grobe Typisierung dem Grunde nach zwar anerkannt (BFH v. 11.12.1997, Az.:  III R 214/94). Der Senat folgert aber aus § 33a Abs. 3 S. 1 u. § 66 Abs. 2 EStG, dass auch bzgl. der Berechnung der Opfergrenze - jedenfalls bei der Berücksichtigung der sonstigen Unterhaltsverpflichtungen - eine monatsbezogene Betrachtungsweise stattzufinden hat. Insoweit verfolgt er eine Betrachtung, die dem beim Kindergeld geltenden Monatsprinzip folgt. Nach der Überzeugung des Senats ist die Ermittlung der Opfergrenze hierdurch weiterhin vorhersehbar und einfach berechenbar.

Insofern war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob bei der Berechnung der Opfergrenze bzgl. unterhaltsberechtigter weiterer Kinder eine monatsbezogene Betrachtungsweise stattzufinden hat.

Linkhinweis:

FG des Saarlandes online
Zurück