07.12.2020

Negativ thesaurierte Erträge: Rückgabegewinn bei Anteilen an Immobilienfonds im Betriebsvermögen

Die von § 2 Abs. 1 InvStG 2004 nicht erfasste Ausschüttung eines sog. Liquiditätsüberhangs ("negativ thesaurierte Erträge") führt im Rahmen der betrieblichen Bewertung der Immobilienfonds-Anteile des Ausschüttungsempfängers nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten; vielmehr ist ein passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Zeitpunkt der Rückgabe/Veräußerung der Anteile gewinnerhöhend aufzulösen ist.

BFH v. 1.7.2020 - XI R 10/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Sparkasse in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts i.S. des Sparkassengesetzes NRW, die mit ihrem gesamten Geschäftsbetrieb als Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 1 KStG in der in den Streitjahren 2007, 2009 und 2010 geltenden Fassung unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Zum Betriebsvermögen gehörten Anteile an mehreren (dem Investmentgesetz unterliegenden) Immobilienfonds. Die Fonds nahmen auch Ausschüttungen vor, die nicht als Erträge i.S. des § 2 InvStG 2004 bzw. - für eine Behaltenszeit vor dem Inkrafttreten des InvStG 2004 (s. dazu § 18 Abs. 1 InvStG 2004) - des § 45 KAGG steuerpflichtig waren ("Liquiditätsüberhang" infolge der Ermittlung der investmentsteuerrechtlichen Erträge durch Abzug von Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung -AfA/AfS -, sog. negativ thesaurierte Erträge). In welchen Jahren der Behaltenszeit der Anteile (seit 1998) und in welchem Umfang derartige Ausschüttungen erfolgt sind, ist offen.

Im Zuge einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass für jene Ausschüttungen jeweils passive Ausgleichsposten zu bilden und im Zeitpunkt der Rückgabe der Investmentanteile gewinnerhöhend aufzulösen seien. Insoweit berechnete er für einen solchen Posten einen (bisher von der Klägerin nicht angesetzten) Bestand aus den Vorjahren, den er erfolgsneutral zum 1.1.2007 erfasste, und führte ihn in den Prüfungsjahren fort.

Das Finanzamt erließ nach Maßgabe des Prüfungsberichts Änderungsbescheide, in denen es Gewinnerhöhungen vornahm. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.

Gründe:
Das FG hat zu Recht dahin erkannt, dass sog. negativ thesaurierte Erträge bei der gewinnrealisierenden Rückgabe der Anteile gewinnerhöhend zu berücksichtigen sind.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen Der auf dieser Grundlage erforderliche (Veranlassungs-)Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang besteht allerdings nicht, wenn es im Laufe der Behaltenszeit der Anteile zu Ausschüttungen aus dem Investmentvermögen kommt, die den Rechtsbegriff der ausgeschütteten Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004) oder den der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004) nicht erfüllen.

Ein Beispiel sind sog. negativ thesaurierte Erträge. Sie liegen vor, wenn aus dem Investmentvermögen der dort aufgrund von nicht liquiditätswirksamer AfA/AfS (Minderung der zugeflossenen Einnahmenentstandene geschäftsjahrbezogene "Liquiditätsüberhang" an die Anleger "steuerneutral" --da nicht von § 1 Abs. 3 und § InvStG 2004 erfasst-- ausgeschüttet wird. Dass Empfänger dieser Ausschüttungen ausschließlich Anleger sind, reicht für den Veranlassungszusammenhang mit dem Erwerbsvorgang nicht aus.

Für die Besteuerung von Erträgen aus einer Investmentfondsanlage gelten für den betrieblichen Anleger und die bilanzielle Gewinnermittlung die Maßgaben der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG und der GoB, da das Investmentsteuerrecht insoweit keine eigenständige (bzw. abschließende) Regelung trifft. Insoweit kommt es nicht in Betracht, der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2) InvStG 2004 zum Umfang der Steuerpflicht von aus dem Fonds ausgeschütteten Erträgen (auf der Grundlage einer Ermittlung der Erträge des Investmentvermögens entsprechend § 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004) eine Rechtswirkung beizumessen, die auch den Umfang einer besteuerbaren Betriebsvermögensmehrung beim bilanzierenden Anleger abschließend (und zugleich andere Umstände ausschließend) beschreibt.

Wenn damit bei der Gewinnermittlung des bilanzierenden Anlegers auch Vermögensmehrungen einkommenserheblich sein können, die beim privaten Anleger kraft Gesetzes als nicht besteuerbar anzusehen sind, ist aber der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung - unabhängig von einer handelsrechtlichen Wertung - für die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht mit dem Zuflusszeitpunkt gleichzusetzen, wenn eine sachliche Nähe zum "inneren Wert" der Anteile besteht und dies einen engen Zusammenhang mit dem (künftigen) Realisationsakt für diese Wirtschaftsgüter rechtfertigt. Insoweit wird der Zufluss unter Beachtung der investmentsteuerrechtlichen Maßgaben nicht dem (laufenden) Ertragsbereich zugewiesen, sondern der (Betriebs-)Vermögenssphäre des betrieblichen Anlegers und es besteht eine steuerrechtliche Auswirkung (erst) bei einer darauf bezogenen Realisation durch Veräußerung/Rückgabe der Anteile.

Das FG hatte im Streitfall letztlich auch ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die gewinnneutrale Berichtigung des Bilanzansatzes (Berechnung eines Anfangsbestandes des passiven Ausgleichspostens zum 1.1.2007) mit Blick auf die bestandskräftigen Veranlagungen der Vorjahre nach den steuerrechtlichen Grundsätzen zur Bilanzberichtigung wirksam erfolgen konnte.
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