28.06.2018

Ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung

Ist im Briefkopf eines Bescheides neben der Postfachanschrift der Behörde in der einen Stadt eine dem Kläger bekannte Besuchsanschrift in einer anderen Stadt angegeben, so ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig, wenn sie zur Möglichkeit der Niederschrift des Einspruchs nur auf den Sitz der Behörde in der einen Stadt verweist.

Niedersächsisches FG 17.4.2018, 1 K 233/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger erhält Kindergeld für seine Töchter. Im Juli 2017 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes auf und forderte die Rückzahlung von gezahltem Kindergeld. Die Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid lautete u.a. wie folgt: "Der Einspruch ist bei der Familienkasse mit Sitz in X-Stadt schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären." Auf der ersten Seite des Bescheides ist als Postanschrift "Familienkasse, PLZ X-Stadt" aufgeführt. Darunter steht unter Besuchsadresse "A-Straße 5, Y-Stadt". Gegen den Bescheid vom 3.7.2017 erhob der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.8.2017 Einspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Kläger verwies darauf, dass er urlaubsbedingt und aufgrund Aufenthaltes im Ausland erst zu dem Zeitpunkt einer Reise nach Y-Stadt am 17.8.2017 Kenntnis vom Aufhebungsbescheid erhalten habe. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthalte insbesondere zwar den Hinweis, dass der Einspruch auch zur Niederschrift erklärt werden könne. Unter der im Bescheid angegebenen postalischen Anschrift der Familienkasse in X-Stadt sei eine Einlegung des Widerspruchs durch Erklärung zur Niederschrift mangels Angabe einer Straße und Hausnummer jedoch nicht möglich. Zwar sei im Bescheid eine Besuchsadresse in Y-Stadt angegeben. In der Rechtsbehelfsbelehrung werde die Einlegung des Widerspruchs mittels Erklärung zur Niederschrift jedoch bei der Familienkasse in X-Stadt gefordert. Die Familienkasse verwarf den Einspruch als unzulässig.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist beim BFH unter dem Az. III B 67/18 anhängig.

Die Gründe:
Die Familienkasse hat den Einspruch des Klägers vom 18.8.2017 zu Recht als unzulässig verworfen, weil er verspätet erhoben wurde.

Der Einspruch wurde verspätet erhoben. Gem. § 355 AO ist ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Der Kläger hat die Frist für die Einlegung des Einspruchs versäumt. Nach § 122 Abs.2 Nr.1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der, wie im vorliegenden Fall, durch die Post übermittelt worden ist, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugegangen. Der Bescheid vom 3.7.2017 wurde von der Beklagten spätestens am 4.7.2017 abgesandt, wie es der Poststempel auf dem vom Kläger übersandten Briefumschlag zeigt. Nach der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt der Bescheid der Beklagten dem Kläger am 7.7.2017 als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist begann damit am 8.7.2017 zu laufen und endete mit Ablauf des 7.8.2017. Der am 18.8.2017 vom Kläger erhobene Einspruch war damit verspätet.

Gem. § 356 Abs. 1 AO muss der Beteiligte neben der einzuhaltenden Frist und der Form des Einspruchs auch über den Sitz der Finanzbehörde (hier: der Familienkasse), bei der der Einspruch einzulegen ist, belehrt werden. Laut BFH-Rechtsprechung folgt daraus, dass eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung die Behörde und deren Sitz so genau bezeichnen muss, dass der Rechtsbehelf dort fristgerecht angebracht werden kann. Verlangt wird nur die Angabe des Sitzes der Behörde. Die Angaben von Straße und Hausnummer in der Rechtsbehelfsbelehrung sind ausdrücklich nicht vorgeschrieben. Als Sitz der Behörde ist der geographische Ort anzugeben, an dem die Behörde räumlich untergebracht ist.

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, es sei die Angabe der vollen postalischen Anschrift erforderlich. Allerdings reicht es auch nach dieser Ansicht aus, wenn sich die Anschrift aus dem Verwaltungsakt selbst ergibt. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen ist die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 3.7.2017 nicht fehlerhaft. Insbesondere wurde die Behörde, bei der der Einspruch einzulegen ist, mit der Angabe Familienkasse mit Sitz in X-Stadt ausreichend bezeichnet. Ungeachtet dessen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung Straße und Hausnummer der Beklagten nicht ausweisen musste, ergibt sich die Hausanschrift aus dem Bescheid an sich. Dort ist auf Seite eins zunächst oben rechts vermerkt, dass Absender des Bescheides die Familienkasse ist. In der Fußzeile auf Seite eins des Bescheides ist unter Postanschrift zwar eine Adresse in X-Stadt ohne Straße und Hausnummer angegeben. Darunter wird jedoch als Besuchsadresse A-Straße 5 in Y-Stadt aufgeführt.

Aus dem direkten beieinander von Postanschrift und Besucheradresse ergibt sich für den objektiven Betrachter des Briefkopfes ohne Zweifel, dass sich beide Angaben auf die den Bescheid erlassene Behörde - die Familienkasse - beziehen. Es ist für jedermann erkennbar, dass diese Behörde persönlich in Y-Stadt in der A-Straße 5 aufgesucht werden kann. Aus dem Bescheid ergibt sich somit, dass die Möglichkeit besteht, bei der Familienkasse, die den Sitz in X-Stadt hat, jedoch in der A-Straße 5 in Y-Stadt besucht werden kann, persönlich zu erscheinen und den Einspruch zur Niederschrift zu erklären. Dies alles war dem Kläger auch bekannt. Bereits am 9.10.2007 und am 21.11.2007 hat er Schriftsätze an die Familienkasse unter der Anschrift A-Straße 5, PLZ Y-Stadt gesandt. Dies ist die Adresse, unter der er auch persönlich zur Erklärung des Einspruchs hätte erscheinen können.

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