30.08.2019

Pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" Investmentfonds ist gesetzeskonform

Die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, verstößt nicht gegen Unionsrecht und ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar.

BFH v. 14.5.2019 - VIII R 31/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres im August 2002 verstorbenen Ehemanns. In dessen Nachlass befanden sich u.a. Anteile an mehreren Investmentfonds, die der Ehemann bis zu seinem Tod in einem Depot bei einer Bank in Belgien gehalten hatte. Im Jahr 2003 übertrug die Klägerin das Depot zur Hälfte auf den gemeinsamen Sohn, den Kläger, nachdem dieser seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte. Die Erträge aus den Investmentfondsanteilen wurden ab 2003 gesondert und einheitlich festgestellt.

Da die Investmentfonds die Besteuerungsgrundlagen nicht gem. § 5 InvStG den Klägern bekannt gegeben hatten, erklärten diese ihre Erträge für das ursprünglich auch betroffene Jahr 2003 und die Streitjahre 2004 bis 2006 in Bezug auf sämtliche Anteile sowie für die Streitjahre 2007 und 2008 in Bezug auf die Anteile an drei der sechs Investmentfonds im Wege der Schätzung i.H.v. jeweils 1,7 %, 2 % bzw. 3 % der Depotwerte zum 31.12. eines jeden Jahres. Für die Anteile an den übrigen drei Investmentfonds erfolgte hinsichtlich der Streitjahre 2007 und 2008 eine Ermittlung der Erträge "lt. beiliegenden Listen" bzw. "lt. Börsenzeitung". Das Finanzamt folgte den Angaben der Kläger nur in Bezug auf die erklärten Erträge aus drei der sechs Investmentfonds für das Jahr 2008. Im Übrigen ermittelte es die Erträge unter Anwendung des § 6 InvStG, indem es 70 % des Differenzbetrages zwischen dem ersten und dem letzten Marktpreis bzw. mindestens 6 % des letzten Marktpreises der Fondsanteile in den Streitjahren zugrunde legte.

Auf ein vom FG eingeleitetes Vorabentscheidungsersuchen entschied der EuGH mit Urteil vom 9.10.2014 - C-326/12, die Vorschrift des § 6 InvStG sei im Lichte von Art. 63 AEUV dahin auszulegen, dass es dem Steuerpflichtigen auch bei sog. intransparenten Investmentfonds im EU-Ausland möglich sein müsse, Unterlagen und Informationen beizubringen, um abweichend von den Vorgaben des InvStG die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte auf andere Weise nachzuweisen. Allein der Umstand, dass ein ausländischer Investmentfonds die unterschiedslos für in- und ausländische Fonds geltenden Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter Angaben gem. § 5 Abs. 1 InvStG nicht erfülle, sei nicht ausreichend, um die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesem Investmentfonds erzielt habe, pauschal nach § 6 InvStG zu ermitteln. Der Inhalt, die Form und das Maß an Präzision, denen die Angaben für einen anderweitigen Nachweis der Einkünfte aus einem ausländischen Investmentfonds genügen müssten, seien jedoch von der Finanzverwaltung zu bestimmen, um dieser eine ordnungsgemäße Besteuerung zu ermöglichen.

Die Klage blieb daraufhin in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Einkünfte der Kläger aus den ausländischen Investmentfonds zutreffend festgestellt wurden.

Die Kläger hatten keine Angaben zu den bei thesaurierenden Investmentfonds erforderlichen Besteuerungsgrundlagen, insbesondere zum Betrag der ausschüttungsgleichen Erträge gem. § 6 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 2 InvStG gemacht, sondern lediglich das nach den Jahresberichten auf ihre jeweiligen Fondsanteile entfallende Nettoergebnis der Anlagen für die jeweiligen Streitjahre mitgeteilt. Soweit sie geltend gemacht hatten, ihnen seien die erforderlichen Mindestangaben wegen fehlender Informationen durch die Investmentfonds nicht verfügbar gewesen, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere verstößt die Verpflichtung, die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG zu erklären, laut EuGH-Rechtsprechung nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV.

Im Streitfall hatte das FG die Möglichkeit einer Schätzung der Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Jahresberichte im Ergebnis zutreffend verneint. Denn kommt ein Investmentfonds seinen Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten aus § 5 InvStG nicht nach und kann auch der Anleger keine Angaben zu diesen machen, sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG pauschal zu ermitteln. Eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO schließt § 6 InvStG aus. Vielmehr ordnet die Regelung in Abs. 1 eine pauschale Ermittlung der Erträge an, die, soweit kein abweichender Nachweis nach § 6 Abs. 2 InvStG geführt wird, keinen Raum für eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO lässt.

Die pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar führt sie zu einer Ungleichbehandlung und kann im Einzelfall einer Besteuerung nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen; sie ist jedoch durch hinreichende, die Pauschalierung der Erträge rechtfertigende Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Auch führt § 6 InvStG nicht zu einer nach Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässigen Übermaßbesteuerung.

Linkhinweis:
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