24.09.2020

Personelle Verflechtung bei von Geschäftsführung ausgeschlossenem Nur-Besitz-Gesellschafter und bei Möglichkeit zur Umgehung des § 181 BGB durch geschäftsführende Doppelgesellschafter

Die personelle Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn die personenidentischen Gesellschafter-Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen können und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der Betriebs-GmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden kann. Das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB steht der Annahme einer Beherrschungsidentität von Gesellschafter-Geschäftsführern aus Besitz-GbR und Betriebs-GmbH nicht entgegen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen die Umgehung dieses Verbots durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person ermöglichen.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.5.2020 - IV R 4/17

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1 S 2, § 6, § 7, § 10a, § 35b Abs. 2 S. 2, § 36 Abs. 10 S. 1
GewStDV § 25 Abs. 1 Nr. 6
BGB § 177, § 181, § 709 Abs 1, § 710 S. 1
HGB § 125 Abs. 2 S 2, § 150 Abs. 2
AktG § 78 Abs. 4, § 269 Abs. 4
GmbHG § 35


Im Streitfall ging es um die Frage, ob durch die Vermietung einer Halle sowie von Büroräumen an eine GmbH zwischen der Vermieterin, einer GbR, und der GmbH als Mieterin eine Betriebsaufspaltung begründet wurde.

Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG (originär) gewerblich tätig. Dann liegen bei der Besitzgesellschaft auch die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 6, § 7 GewStG) als Grundlage für die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags und die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a GewStG) vor.

Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn es sich bei dem vermieteten Wirtschaftsgut für das Betriebsunternehmen um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Bei einem Grundstück ist das der Fall, wenn es für die Betriebsführung der Betriebsgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist. Das ist stets anzunehmen, wenn das Grundstück der räumliche und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens ist. Diese Voraussetzung war im Streitfall durch die erfolgte Grundstücksüberlassung erfüllt.

Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Für die personelle Verflechtung ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen.

Zu den wesentlichen Fragen gehören insbesondere die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge, die nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe aufgelöst werden sollen, die das Besitzunternehmen beherrscht. Die Beteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen ergibt noch keine personelle Verflechtung, wenn in der Besitzgesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip gilt und nicht alle Gesellschafter der Besitzgesellschaft auch an der Betriebsgesellschaft beteiligt, mithin "Nur-Besitzgesellschafter" vorhanden sind. Denn die in beiden Gesellschaften herrschende Person oder Personengruppe kann dann rechtlich ihren Willen in der Besitzgesellschaft nicht mehr durchsetzen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter, die sogenannten Geschäfte des täglichen Lebens, einschließt.

Eine personelle Verflechtung kann sich jedoch ergeben, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen kann. Beherrschungsidentität liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn einer Person oder Personengruppe die alleinige Geschäftsführungsbefugnis für die laufende Verwaltung einschließlich der Nutzungsüberlassung in dem Besitz- und Betriebsunternehmen übertragen ist. Die Beherrschungsidentität führt in derartigen Konstellationen dann zu einer personellen Verflechtung, wenn die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge nicht gegen den Willen der Person oder Personengruppe aufgelöst werden können, die das Besitzunternehmen beherrscht, und diese Person oder Personengruppe zugleich alle Geschäfte der laufenden Verwaltung beherrscht.

Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung dem Grunde nach vorlagen. Denn die Mietverträge über das Bürogebäude mit Stellplätzen, eine Halle mit Sozialräumen sowie ein Außenlager konnten gegen den Willen einer Personengruppe nicht aufgehoben werden und diese Personengruppe beherrschte als Geschäftsführer der GbR und der GmbH auch die laufende Verwaltung der Nutzungsverhältnisse.

Nach § 181 BGB kann ein Vertreter, soweit ihm nicht ein Anderes gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen das Verbot des § 181 BGB, so bewirkt dies nicht die Nichtigkeit, sondern eine schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts i.S. von § 177 BGB. Es wird wirksam, wenn der Vertretene es genehmigt.

Im Streitfall konnte die beherrschende Personengruppe das Doppelvertretungsverbot auf Seiten der GmbH jedoch dadurch beseitigen, dass ein anderer Vertreter ermächtigt wird, entsprechende Rechtsgeschäfte mit der Steuerpflichtigen zu schließen. Dies konnte nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH z.B. durch Bestellung eines Prokuristen geschehen.

Bei der für die GmbH bestehenden Gesamtvertretungsbefugnis aus zwei Geschäftsführern oder einem Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen kann in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 125 Abs. 2 Satz 2, § 150 Abs. 2 HGB, § 78 Abs. 4, § 269 Abs. 4 AktG auch dem bestellten Prokuristen eine Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen erteilt werden. Die GmbH hatte damit jederzeit die Möglichkeit, durch Bestellung eines Prokuristen dafür zu sorgen, dass sie bei Geschäften mit der Steuerpflichtigen durch einen Prokuristen vertreten wird. Weiterhin hätte neben einem Prokuristen auch ein Mitglied der beherrschenden Personengruppe die GmbH vertreten können, so dass die beiden anderen Personen dieser Gruppe als Vertreter der Steuerpflichtigen hätten auftreten können. § 181 BGB hätte dem Abschluss eines solchen Geschäfts somit nicht entgegengestanden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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