14.05.2020

Pflegekosten für die Grabstätte Dritter als Nachlassverbindlichkeiten

Aufwendungen für die Pflege einer Wahlgrabstätte, in der nicht der Erblasser, sondern dritte Personen bestattet sind, sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn sich bereits der Erblasser für die Dauer des Nutzungsrechts zur Pflege verpflichtet hatte und diese Pflicht auf den Erben übergegangen ist. Abzugsfähig sind in einem derartigen Fall die am Bestattungsort üblichen Grabpflegekosten für die Laufzeit des Grabnutzungsrechts. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des Erblassers.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.1.2020 - II R 41/17

AO § 162 Abs. 1
BewG § 13 Abs. 1 Satz 1
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3, § 11, § 12 Abs. 1


Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Die öffentlich-rechtliche Nutzungsbefugnis an einer Wahlgrabstätte kann auf den Erben übergehen und Teil des Nachlasses i.S. des § 1922 BGB sein, wenn der Friedhofsträger in seiner Friedhofssatzung einen solchen Übergang vorsieht und der Erbe dem Übergang des Nutzungsrechts auf ihn zustimmt.

Sieht der Friedhofsträger eine Übertragung des Grabnutzungsrechts auf Erben vor, ist der Übergang wegen der mit ihm verbundenen Pflichten nur möglich, wenn der Erbe dem Erwerb zustimmt und sich damit den einschlägigen Bestimmungen der Friedhofssatzung unterwirft. Denn eine Regelung, nach der das Nutzungsrecht mit den damit verbundenen Pflichten auf einen anderen ohne dessen Zustimmung übergeht, stellt einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar. Eine Aufdrängung des Nutzungsrechts ist daher nicht möglich. Die Zustimmung zum Übergang des Grabnutzungsrechts kann z.B. in der Entgegennahme der darüber ausgestellten Urkunde gesehen werden.

Sieht die Friedhofssatzung eine Übertragung des Grabnutzungsrechts auf den Erben vor und stimmt dieser dem Übergang zu, erwirbt er das Nutzungsrecht nach den zivilrechtlichen Bestimmungen der Erbfolge i.S. der §§ 1922 ff. BGB.

Steuerrechtlich liegt bei einem Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) ein Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1.Alternative ErbStG vor.

Der Wert eines vererbten Grabnutzungsrechts, das auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist, ist nach § 13 BewG zu bestimmen. Der Kapitalwert von solchen Nutzungen ist mit dem aus Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der Jahreswert ergibt sich aus § 15 Abs.  2 BewG.

Als Bereicherung gilt in den Fällen des § 3 ErbStG der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff "herrühren" ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB sind auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre.

Aufwendungen für die Pflege einer Wahlgrabstätte, für die der Erbe vom Erblasser durch Erbfall ein Recht zur Nutzung erworben und der Übertragung des Nutzungsrechts auf ihn gegenüber dem Friedhofsträger zugestimmt hat, sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn sich bereits der Erblasser --z.B. aufgrund von Bestimmungen in der Friedhofssatzung-- für die gesamte Dauer der Laufzeit des Nutzungsrechts zur Pflege verpflichtet hatte und der Erbe diese Verpflichtung --z.B. dadurch, dass er der Beachtung der Friedhofssatzung zugestimmt hat-- übernommen hat. In einem solchen Fall hätte der Erblasser die Kosten für die gesamte Dauer der Nutzung und für die Verpflichtung zur Pflege der Wahlgrabstätte --also auch für die erst nach seinem Tod entstehenden Aufwendungen-- tragen müssen, wenn er nicht verstorben wäre.

§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sieht nur den Abzug von nachgewiesenen Kosten vor; der Abzug eines Pauschbetrags ist nicht möglich. Abzugsfähig sind die am Bestattungsort üblichen Aufwendungen für die Grabpflege. Diese sind nach § 162 Abs. 1 AO zu schätzen. Als Schätzungsgrundlage können z.B. Kostenvoranschläge ortsnaher Friedhofsgärtner herangezogen werden. Soweit der Abzug von Aufwendungen über den am Bestattungsort üblichen Rahmen hinausgeht, ist der Abzug zu versagen. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe tatsächlich höhere Aufwendungen hat, die z.B. durch die gesellschaftlichen, persönlichen oder beruflichen Umstände oder die finanziellen Verhältnisse des Erblassers oder des Erben bedingt sind.

Sind in der Wahlgrabstätte sowohl dritte Personen als auch der Erblasser bestattet, sind die Grabpflegekosten nur nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. Durch einen solchen Abzug sind auch Aufwendungen für die Grabpflegekosten dritter Personen mit abgegolten und können nicht darüber hinaus nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug gebracht werden. Werden Aufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, gelten alle Pflegekosten im Zusammenhang mit dem Wahlgrab als durch den Pauschbetrag in Höhe von 10.300 € als abgegolten.

Ist das Grabnutzungsrecht zeitlich beschränkt, sind die Kosten für die Pflege der Grabstätte nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG zu ermitteln. Der sich aus den am Bestattungsort üblichen Kosten ergebende Jahreswert der Aufwendungen ist je nach Laufzeit des Nutzungsrechts an der Wahlgrabstätte mit dem sich aus der Anlage 9a zu § 13 BewG ergebenden maßgeblichen Vervielfältiger zu multiplizieren.

Die Wertermittlung sowohl für den Ansatz des Grabnutzungsrechts im Rahmen des Erwerbs von Todes wegen als auch für die Höhe der Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Der Zeitpunkt der Zustimmung des Erben zu dem Übergang des Nutzungsrechts auf ihn ist nicht maßgebend. Die nach dem Tod des Erblassers erteilte und daher nachträgliche Zustimmung zu der Übertragung wirkt auf den Zeitpunkt des Todes zurück (§ 184 Abs. 1 BGB).

Nach § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. Die Steuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers, jedoch für zu einem Erwerb gehörende, aufschiebend bedingte Ansprüche mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG). Die nachträgliche Zustimmung des Erben zu dem Erwerb des Grabnutzungsrechts ist keine aufschiebende Bedingung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG i.V.m. § 158 Abs. 1 BGB.

Ein schwebendes Geschäft, dessen Hauptpflichten im Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht erfüllt waren und das bei der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer nicht zu berücksichtigen ist, liegt bei dem durch den Erben genehmigten Übergang eines Grabnutzungsrechts und den aus dem Übergang herrührenden Kosten für die Pflege der Wahlgrabstätte nicht vor.

Durch die nachträgliche Zustimmung des Erben zum Übergang des Nutzungsrechts auf ihn wird das Nutzungsrecht an der Wahlgrabstätte rückwirkend auf den Todeszeitpunkt zu einem nach den zivilrechtlichen Regelungen des § 1922 BGB übergegangenen Nachlassgegenstand. Die Hauptpflichten aus dem Grabnutzungsvertrag --die Pflicht zur Zahlung der Grabnutzungsgebühr und die Erlaubnis zur Nutzung der Wahlgrabstätte-- sind in Fällen, in denen der Erblasser die Gebühr bereits vollständig entrichtet hat, im Todeszeitpunkt erfüllt. Noch nicht erfüllt ist lediglich die sich aus dem Erwerb des Grabnutzungsrechts ergebende Pflicht des Erben zur Pflege der Wahlgrabstätte. Dabei handelt es sich aber nicht um eine im Synallagma zu der Überlassung des Grabs stehende Hauptleistungspflicht, sondern um eine vom Erwerb herrührende Nebenpflicht.

Da das FG im Streitfall von anderen Grundsätzen ausgegangen war, hob der BFH die Vorentscheidung auf und verweis den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück