12.08.2021

Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz bei finanziellem Aufwand von ca. 40 €

Eine "unbillige Härte" i.S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 AO vor.

Kurzbesprechung
BFH v. 21.4.2021 - XI R 29/20

EStG § 5b, § 25 Abs. 4
AO § 150 Abs. 8
GmbHG § 5a
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 31 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3


Wird der Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermittelt, so ist nach § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Die Steuerpflichtige, eine UG, ist als Variante der GmbH eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt.

Nach § 5b Abs. 2 EStG kann auf Antrag die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; § 150 Abs. 8 AO gilt entsprechend. Ordnen die Steuergesetze --wie insoweit z.B. § 5b Abs. 2 EStG-- an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist nach § 150 Abs. 8 Satz 1 AO einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Liegt eine persönliche oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit vor, besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf den Verzicht auf elektronische Übermittlung des Inhalts der E-Bilanz durch die Finanzbehörde.

Für eine persönliche Unzumutbarkeit in diesem Sinne wäre nach § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 2 AO erforderlich, dass die Steuerpflichtige nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten der für sie handelnden Personen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen. Daran fehlte es jedoch im Streitfall.

Auch die von der Steuerpflichtigen geltend gemachte wirtschaftliche Unzumutbarkeit hatte das FG zu Recht verneint. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO liegt nach § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 1 AO vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre. Die (Nicht-) Anwendung dieser Vorschrift durch das FA ist gerichtlich voll überprüfbar, es liegt insoweit kein (gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer) Ermessens- oder Beurteilungsspielraum der Finanzbehörde vor.

Eine "unbillige Härte" i.S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht schon dann vor, wenn die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 AO vor.

Im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit bei § 5b Abs. 2 EStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO sind die zu Steuererklärungen entwickelten Grundsätze zu modifizieren, da § 5b EStG nicht der Gesetzessystematik des § 25 Abs. 4 EStG folgt. Daher sind nicht nur der erklärte Gewinn und Umsatz im Veranlagungszeitraum, die u.a. Eingang in die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung des bzw. der Wirtschaftsjahre(s) finden, sondern auch der übrige Inhalt der zu übermittelnden Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung in die Betrachtung mit einzubeziehen; denn die maschinelle Übermittlung von steuererheblichen Daten an die Finanzverwaltung dient sowohl der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als auch der Gewährleistung einer effektiven, möglichst einfachen Verwaltung.

Soweit diese beiden Gemeinwohlinteressen es rechtfertigen, Steuerpflichtigen die Pflicht aufzuerlegen, bestimmte Daten elektronisch an das FA zu übermitteln, hängt in Bezug auf eine elektronisch zu übermittelnde Bilanz und eine elektronisch zu übermittelnde Gewinn- und Verlustrechnung das zu berücksichtigende Gemeinwohlinteresse nicht (nur) von der Höhe der erklärten Umsätze oder der erklärten Einkünfte, sondern (auch) vom Umfang des Jahresabschlusses ab; denn der in der Möglichkeit zur (veranlagungszeitraumübergreifenden) maschinellen Prüfung elektronischer Daten liegende Vorteil der Finanzverwaltung ist umso größer, je umfangreicher und komplexer eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung sind.

Der BFH entschied zudem, dass ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz auch für einen "Kleinstbetrieb" nicht (wirtschaftlich) unzumutbar ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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