23.11.2016

Prüfung einer Aussetzung des Verfahrens bei verfrühter Untätigkeitsklage

Dem Grundrecht auf effektiven, zeitnahen Rechtsschutz wird eine Aussetzung des Verfahrens eher gerecht als die Abweisung der Untätigkeitsklage als verfrüht mit der Folge einer erneuten Klage. Auch eine verfrüht erhobene Untätigkeitsklage kann schließlich in die Zulässigkeit hineinwachsen.

BFH 13.9.2016, V B 26/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 17.8.2012 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2010 eingereicht, in der lediglich ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Daraufhin forderte das Finanzamt den Kläger auf, weitere Nachweise für den Vorsteuerabzug vorzulegen. Am 25.7.2015 forderte der Kläger das Finanzamt auf, den Antrag zu bescheiden, worauf das die Behörde wiederum um die Vorlage weiterer Unterlagen bat.

Am 12.11.2015 erhob der Kläger dann Klage mit dem Begehren, weitere Vorsteuern zu gewähren. Das FG wies die Klage am 26.1.2016 als unzulässig ab. Das Gericht war der Ansicht, die Klage sei nicht nach § 46 FGO als Untätigkeits-Verpflichtungsklage zulässig, weil es an einem Einspruch oder Untätigkeitseinspruch fehle. Selbst wenn das Schreiben vom 25.7.2015 als Untätigkeitseinspruch auszulegen wäre, sei die Klage unzulässig, weil sie vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Einspruch erhoben worden sei und keine besonderen Umstände, die eine frühere Klageerhebung hätten geboten erscheinen lassen, vorlägen. Es sei schließlich keine Eile geboten, weil der Kläger die vom Amt geforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:
Das FG hatte die Untätigkeitsklage des Klägers zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Denn gem. § 46 FGO ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn das Finanzamt über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes sachlich nicht entscheidet. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, es ist eine kürzere Frist geboten. Das FG kann auch das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aussetzen.

Infolgedessen durfte das FG die Klage im vorliegenden Fall nicht als unzulässig verwerfen. Denn der Kläger hatte am 17.8.2012 einen Antrag auf Änderung seiner als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltenden ursprünglichen Umsatzsteuererklärung gestellt, den das Finanzamt binnen fast drei Jahren nicht beschieden hat. Hiergegen stellte er dann am 25.7.2015 einen als Untätigkeitseinspruch auszulegenden Antrag auf Bescheidung, worauf das Finanzamt wiederum auf die Vorlage der Vorsteuerbelege hinwies, anstatt den Antrag zu bescheiden.

Die im Anschluss daran erhobene Untätigkeitsklage war zwar vor Ablauf von sechs Monaten erhoben worden, jedoch hätte das FG im Hinblick auf die BFH-Rechtsprechung (Beschl. v. 30.9.2015, Az.: V B 135/14) beachten müssen, dass wegen der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Unsicherheit, ob wegen der in § 46 FGO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe die Untätigkeitsklage verfrüht erhoben wurde, eine Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 S. 3 FGO regelmäßig in Betracht zu ziehen ist. Schließlich kann auch eine verfrüht erhobene Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen.

Dem Grundrecht auf effektiven, zeitnahen Rechtsschutz wird eine Aussetzung des Verfahrens eher gerecht als die Abweisung der Untätigkeitsklage als verfrüht mit der Folge einer erneuten Klage. Dies gilt gerade im vorliegenden Fall, in dem der Kern des Rechtsstreits darin besteht, dass die Verwaltung seit Jahren den Kläger zur Vorlage von Vorsteuerbelegen aufforderte, was dieser aus Rechtsgründen nicht für erforderlich hielt und somit ein weiteres Zuwarten bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist das Verfahren nicht fördern würde.

Linkhinweis:

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