29.11.2011

Rechtmäßigkeit eines an eine Insolvenzverwalterin gerichteten - auch die eigene Haftung umfassenden - Auskunfts- und Vorlageersuchens fraglich

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines an eine Insolvenzverwalterin gerichteten Auskunfts- und Vorlageersuchens, das auch dazu dienen soll, deren etwaige Haftung für Steuerschulden einer insolventen Gesellschaft zu prüfen. Insbesondere ist es fraglich, ob sie als schwache vorläufige Insolvenzverwalterin Verfügungsberechtigte i.S.v. § 35 AO - und damit Haftungsschuldnerin - sein kann.

FG Münster 7.11.2011, 11 V 2705/11 AO
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin wurde zur vorläufigen Insolvenzverwalterin einer GmbH bestellt. Das Insolvenzgericht erlegte der GmbH kein allgemeines Verfügungsverbot auf; allerdings konnte die Gesellschaft nur mit Zustimmung der Antragstellerin über ihr Vermögen verfügen. Diese veranlasste im Jahr 2007, dass Abbuchungen von Lohn- und Umsatzsteuern, die das Finanzamt vom Konto der GmbH vorgenommen hatte, rückgängig gemacht wurden.

Das Finanzamt forderte die Antragstellerin im Juni 2011 auf, verschiedenste Auskünfte hierzu zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Es wollte so auch prüfen, ob die Antragstellerin für die Steuerausfälle in Haftung genommen werden kann, die infolge der von ihr als sog. "schwache" vorläufige Insolvenzverwalterin veranlassten Rückbuchungen entstanden sind. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Beschwerde zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Antragstellerin muss die erbetenen Auskünfte zunächst - d.h. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache selbst - nicht erteilen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ersuchens bestehen.

Dies gilt auch, soweit das Ersuchen dazu dient, die Voraussetzungen einer Haftung der Antragstellerin zu klären. Denn es ist zweifelhaft, ob eine solche Haftung in Betracht kommt. Die Antragstellerin war in ihrer Eigenschaft als sog. schwache vorläufige Insolvenzverwalterin weder gesetzlicher Vertreter der GmbH noch Vermögensverwalterin i.S.d. § 34 AO. Ob sie als schwache vorläufige Insolvenzverwalterin Verfügungsberechtigte i.S.v. § 35 AO - und damit Haftungsschuldnerin - sein kann, ist zumindest fraglich.

Denn dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO räumt das Insolvenzgericht gerade keine eigene Verfügungsbefugnis ein. Er kann vielmehr nur darüber entscheiden, ob Verfügungen des Schuldners wirksam werden sollen oder nicht. Das Recht, eine Verfügung des Insolvenzschuldners durch Versagung einer Zustimmung zu unterbinden, ist nicht identisch mit dem Recht, selbst Verfügungen vornehmen zu können. Inwieweit ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter im Hinblick auf Lastschriften eine eigene Verfügungsbefugnis besitzt und daher möglicherweise als Haftungsschuldner in Betracht kommt, muss abschließend im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

FG Münster PM vom 29.11.2011
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