24.05.2018

Regiebetriebe: Keine Kapitalertragsteuer durch Auflösung von Rücklagen aus Gewinnen des Jahres 2001

Bei einem Betrieb gewerblicher Art in der Form des Regiebetriebs führen in 2001 erzielte Gewinne nicht zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 1 EStG, die der Kapitalertragsteuer unterliegen. Werden solche Gewinne in Rücklagen eingestellt, führt deren spätere Auflösung zu außerbetrieblichen Zwecken ebenfalls nicht zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen.

BFH 30.1.2018, VIII R 75/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin unterhielt bis zum Streitjahr 2002 einen Regiebetrieb (im Folgenden: BgA). Dieser stellte einen Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 4 KStG dar, für den das Finanzamt gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Einbringung des BgA in eine Kapitalgesellschaft für den Anmeldungszeitraum 2002 Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag festsetzte.

Der BgA verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Anlagen für den Betrieb an die D-GmbH, eine Tochtergesellschaft der E-GmbH, an der die Klägerin zu 100 % beteiligt war und deren Anteile zum Betriebsvermögen des BgA gehörten. Ende November 2001 fasste der Rat der Klägerin den Beschluss zur Umwandlung des BgA in eine Kapitalgesellschaft. Am 7.1.2002 brachte die Klägerin den BgA gem. § 20 UmwStG a.F. mit Wirkung zum 6.1.2002, 24:00 Uhr, im Wege der Einzelrechtsnachfolge zu Buchwerten in die F-GmbH ein. Einzige Gesellschafterin der F-GmbH war die Klägerin.

Der BgA legte zur Ermittlung des steuerlichen Gewinns für die Jahre 2001 und 2002 Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vor, deren Positionen aus der kameralistischen Buchführung abgeleitet waren. Danach erzielte der BgA zum 31.12.2001 einen Jahresüberschuss i.H.v. 174.401.434,61 DM, der i.H.v. 174.401.000 DM als Kapitalrücklage ausgewiesen wurde. Für das Rumpfgeschäftsjahr 2002 ergab sich unter Berücksichtigung einer nur handelsrechtlich zulässigen Instandhaltungsrückstellung gem. § 249 Abs. 2 HGB i.H.v. 1.300.000 € ein Jahresüberschuss i.H.v. 12.289.028,91 €. Die ausgewiesene Kapitalrücklage blieb unverändert.

Für das Jahr 2002 meldete die Klägerin am 30.10.2002 unter Verweis auf die Zuführung des Jahresüberschusses 2001 zu den Rücklagen Kapitalerträge i.H.v. 0 EUR an. Für das Jahr 2003 meldete die Klägerin in 2003 den Jahresüberschuss 2002 zur Kapitalertragsteuer an. Daraus folgte eine Kapitalertragsteuer i.H.v. 1.228.902 € zzgl. Solidaritätszuschlag.

Nach einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Ansicht, dass die Gewinne im Jahr 2002 gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c und § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG einer 10 %-igen Kapitalertragsteuer zu unterwerfen seien, da mit der Einbringung des BgA in die F-GmbH dessen gesamtes Vermögen i.H.v. 235.185.140 € in den hoheitlichen Bereich übergegangen sei und dies abzüglich des steuerlichen Einlagekontos i.H.v. 139.564.666 € Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 96.053.385 € ergebe. Dieser Betrag entspreche der Summe der Jahresüberschüsse 2001 und 2002. Hinsichtlich des Jahresüberschusses 2001 habe die Einbringung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 2 EStG zu einer Auflösung der aus diesem Jahresüberschuss gebildeten Neurücklage geführt. Der Jahresüberschuss 2002 habe entweder als laufender Gewinn des Jahres 2002 oder ebenfalls als mit der Einbringung aufgelöste Neurücklage die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG erfüllt.

Das Finanzamt erließ daraufhin für den Anmeldungszeitraum 2002 unter Hinweis auf § 164 Abs. 2 AO einen Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer, mit dem es Kapitalertragsteuer i.H.v. 9.605.338,50 € zzgl. Solidaritätszuschlag festsetzte. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die Revisionen der Beteiligten blieben vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Die Entscheidung des FG, der Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer sei rechtmäßig, soweit die Bemessungsgrundlage den Gewinn des BgA für das Jahr 2002 betrifft, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Finanzamt durfte die Klägerin insoweit gem. § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 167 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO und §§ 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 1, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c, 44 Abs. 1 S. 3 bis 5 EStG für eine Entrichtungsschuld in Anspruch nehmen.

Das FG hat außerdem zu Recht entschieden, dass der angefochtene Nachforderungsbescheid rechtswidrig ist, soweit darin Kapitalertragsteuer für einen anderen Sachverhalt als den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 i.H.v. 13.857.053 € festgesetzt wurde. Das Finanzamt durfte nämlich weder wegen des laufenden Gewinns des BgA für 2001 gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 1 EStG noch wegen einer Auflösung der im Jahr 2001 gebildeten Rücklage zum Ablauf des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 2 EStG Kapitalertragsteuer erheben.

Zwar wäre eine etwaige Kapitalertragsteuer für den im Jahr 2001 erzielten Gewinn grundsätzlich im Anmeldungszeitraum 2002 anzumelden und festzusetzen gewesen, da sie - auch wenn der Gewinn eines Regiebetriebs der Trägerkörperschaft bereits zeitgleich (phasenkongruent) mit seiner Entstehung zufließt - gem. § 44 Abs. 6 S. 2 EStG erst im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bzw. spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres entsteht, d.h. im Streitfall für den Gewinn des Jahres 2001 im Jahr 2002. Nach Auffassung des I. Senats des BFH (Urt. v. 11.7.2007, Az.: I R 105/05), der sich der erkennende Senat anschließt, folgt aber aus § 52 Abs. 37a S. 2 EStG, dass der laufende Gewinn des Jahres 2001 eines Regiebetriebs wegen des phasenkongruenten Zuflusses bei der Trägerkörperschaft noch nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 1 EStG erfasst wird.

Nach § 52 Abs. 37a S. 2 EStG werden nur Zuflüsse nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des Betriebs gewerblicher Art erfasst, für welches das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist. Der körperschaftsteuerliche Systemwechsel des StSenkG ist aber erst zum 1.1.2001 eingetreten. Wenn - wie im Streitfall - das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht und im Jahr 2001 kein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet worden ist, werden damit nur Zuflüsse nach Ablauf des Jahres 2001 von § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG erfasst, d.h. bei einem Regiebetrieb nur die laufenden Gewinne ab dem Jahr 2002.

Darüber hinaus scheiden auch steuerpflichtige Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 2 EStG aus der Auflösung von Rücklagen zu Zwecken außerhalb des Betriebs gewerblicher Art aus. Gewinne des Jahres 2001, die wegen § 52 Abs. 37a S. 2 EStG nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 1 EStG steuerpflichtig gewesen wären, können auch im Fall einer etwaigen Einstellung in die Rücklagen und deren späterer Auflösung (hier: im Zuge der Einbringung) nicht steuerpflichtig sein. Insofern handelt es sich jedenfalls nicht um Rücklagen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10b S. 2 EStG.

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BFH PM Nr. 26 vom 23.5.2018
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