Rentenzahlungen aus einem vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen begünstigten Versicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht als Einkünfte aus Kapitalvermögen
Kurzbesprechung
BFH v. 1.7.2021 - VIII R 4/18
EStG § 2 Abs 1 Nr. 5, § 10 Abs 1 Nr. 2 Buchst b DBuchst cc, § 20 Abs 1 Nr. 6 S , § 20 Abs 1 Nr. 6 S 2, § 22 Nr. 1 S 3 Buchst a
DBuchst bb, , § 52 Abs 36 S 5
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 findet gemäß § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes vom 05.07.2004 (BGBl I 2004, 1427) --jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes n.F.-- auf Kapitalerträge aus Versicherungsverträgen, die wie im Streitfall vor dem 01.01.2005 abgeschlossen worden sind, weiterhin Anwendung.
Im Streitfall lagen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG 2004 vor. Bei dem vom Steuerpflichtigen abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag handelt es sich um eine Versicherung "auf den Erlebensfall" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004. Eine Versicherung "auf den Erlebensfall" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 liegt vor, wenn sie für den Bezugsberechtigten eine Versicherungsleistung unter der Voraussetzung vorsieht, dass der Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt erlebt. Das war bei der vom Steuerpflichtigen abgeschlossenen Rentenversicherung der Fall. Die Versicherungsleistung besteht im Streitfall in der Zahlung einer lebenslangen Rente unter der Bedingung, dass der Steuerpflichtige den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn erreicht. Auch die dem Steuerpflichtigen mit dem Kapitalwahlrecht eingeräumte Option, die lebenslange Rentenzahlung gegen Zahlung einer einmaligen Ablaufleistung zu beenden, war von dem Erreichen des Zeitpunkts des Rentenbeginns abhängig.
Der von dem Steuerpflichtigen abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag war auch begünstigt nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004. Zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Verträgen gehören gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 auch Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Eine solche Rentenversicherung lag im Streitfall vor. Der Steuerpflichtige konnte das ihm vertraglich eingeräumte Kapitalwahlrecht erst nach Abschluss der zwölfjährigen Ansparphase ausüben.
Es handelte sich auch um einen Rentenversicherungsvertrag gegen laufende Beitragsleistung. Das Merkmal der laufenden Beitragsleistung dient der Abgrenzung von Versicherungsverträgen gegen Einmalleistung, bei denen sich das Ansparen eines Deckungskapitals und damit die Einzahlung von in den Versicherungsprämien enthaltenen Sparanteilen erübrigt. Eine laufende Beitragsleistung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn die Beitragszahlungsdauer der Laufzeit des Versicherungsvertrages entspricht. Der BFH schließt sich insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung an, wonach es nicht zu beanstanden ist, wenn die Dauer der Beitragsleistung kürzer als die Vertragsdauer ist und eine laufende Beitragsleistung von mindestens fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart wurde.
Die Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige von seinem Kapitalwahlrecht keinen Gebrauch gemacht hatte und damit die Versicherungsleistung nicht in Gestalt eines Einmalbetrags, sondern in Gestalt wiederkehrender Bezüge erbracht worden ist. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Versicherungsleistung je nachdem, ob von dem Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht wird oder nicht, sieht der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nicht vor. Durch den Verweis auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 macht die Vorschrift vielmehr deutlich, dass die Steuerbefreiung allein davon abhängt, dass der Versicherungsvertrag generell zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Vertragstypen gehört.
Auch der der Steuerbegünstigung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 zugrundeliegende Zweck der Förderung eigenverantwortlicher Vorsorgeleistungen erfordert es nicht, die Steuerbefreiung von der Auszahlung der angesparten Versicherungssumme als Einmalbetrag abhängig zu machen, weil dem Vorsorgegedanken insbesondere auch bei Auszahlung der Versicherungsleistung in Form von Rentenleistungen entsprochen ist.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges ableiten. Denn während nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1920 Einmalbezüge aus jeder Art von Kapitalversicherung steuerfrei gestellt waren, wurde mit der Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 im Jahr 1974 die Steuerbefreiung der rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, mit dem Vorsorgegedanken und der Langfristigkeit der Ansparphase begründet. Auf die Art und Weise der Auszahlung der Erträge kam es dem Gesetzgeber -- anders als nach der früheren Rechtslage -- nicht mehr an.
Im Streitfall fielen auch die gesamten dem Steuerpflichtigen im Streitjahr zugeflossenen Rentenbezüge einheitlich unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004. Zwar führt die einheitliche Zuordnung der Rentenbezüge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Ergebnis dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 auch die in den Gesamtbezügen enthaltenen Zinsanteile der Auszahlungsphase steuerfrei gestellt werden, bei denen es sich materiell-rechtlich um der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegende Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne der Vorschrift handelt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei einer Ausübung des Kapitalwahlrechts durch den Steuerpflichtigen die gesamte Versicherungsleistung nicht der Besteuerung unterlegen hätte, da die in der Ansparphase erwirtschafteten Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit und der in der Versicherungsleistung enthaltene Kapitalabfindungsbetrag als nicht steuerbare Umschichtung zwischen den Beitragszahlungen und der Ablaufleistung zu behandeln gewesen wäre.
Aus Gründen der Gleichbehandlung mit ebenfalls nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Verträgen, bei denen der Steuerpflichtige von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch macht, sind deshalb auch die bei Ausübung des Rentenwahlrechts zufließenden Gesamtbezüge nicht der Besteuerung zu unterwerfen, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 2 Abs 1 Nr. 5, § 10 Abs 1 Nr. 2 Buchst b DBuchst cc, § 20 Abs 1 Nr. 6 S , § 20 Abs 1 Nr. 6 S 2, § 22 Nr. 1 S 3 Buchst a
DBuchst bb, , § 52 Abs 36 S 5
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 findet gemäß § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes vom 05.07.2004 (BGBl I 2004, 1427) --jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes n.F.-- auf Kapitalerträge aus Versicherungsverträgen, die wie im Streitfall vor dem 01.01.2005 abgeschlossen worden sind, weiterhin Anwendung.
Im Streitfall lagen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG 2004 vor. Bei dem vom Steuerpflichtigen abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag handelt es sich um eine Versicherung "auf den Erlebensfall" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004. Eine Versicherung "auf den Erlebensfall" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 liegt vor, wenn sie für den Bezugsberechtigten eine Versicherungsleistung unter der Voraussetzung vorsieht, dass der Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt erlebt. Das war bei der vom Steuerpflichtigen abgeschlossenen Rentenversicherung der Fall. Die Versicherungsleistung besteht im Streitfall in der Zahlung einer lebenslangen Rente unter der Bedingung, dass der Steuerpflichtige den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn erreicht. Auch die dem Steuerpflichtigen mit dem Kapitalwahlrecht eingeräumte Option, die lebenslange Rentenzahlung gegen Zahlung einer einmaligen Ablaufleistung zu beenden, war von dem Erreichen des Zeitpunkts des Rentenbeginns abhängig.
Der von dem Steuerpflichtigen abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag war auch begünstigt nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004. Zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Verträgen gehören gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 auch Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Eine solche Rentenversicherung lag im Streitfall vor. Der Steuerpflichtige konnte das ihm vertraglich eingeräumte Kapitalwahlrecht erst nach Abschluss der zwölfjährigen Ansparphase ausüben.
Es handelte sich auch um einen Rentenversicherungsvertrag gegen laufende Beitragsleistung. Das Merkmal der laufenden Beitragsleistung dient der Abgrenzung von Versicherungsverträgen gegen Einmalleistung, bei denen sich das Ansparen eines Deckungskapitals und damit die Einzahlung von in den Versicherungsprämien enthaltenen Sparanteilen erübrigt. Eine laufende Beitragsleistung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn die Beitragszahlungsdauer der Laufzeit des Versicherungsvertrages entspricht. Der BFH schließt sich insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung an, wonach es nicht zu beanstanden ist, wenn die Dauer der Beitragsleistung kürzer als die Vertragsdauer ist und eine laufende Beitragsleistung von mindestens fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart wurde.
Die Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige von seinem Kapitalwahlrecht keinen Gebrauch gemacht hatte und damit die Versicherungsleistung nicht in Gestalt eines Einmalbetrags, sondern in Gestalt wiederkehrender Bezüge erbracht worden ist. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Versicherungsleistung je nachdem, ob von dem Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht wird oder nicht, sieht der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nicht vor. Durch den Verweis auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 macht die Vorschrift vielmehr deutlich, dass die Steuerbefreiung allein davon abhängt, dass der Versicherungsvertrag generell zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Vertragstypen gehört.
Auch der der Steuerbegünstigung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 zugrundeliegende Zweck der Förderung eigenverantwortlicher Vorsorgeleistungen erfordert es nicht, die Steuerbefreiung von der Auszahlung der angesparten Versicherungssumme als Einmalbetrag abhängig zu machen, weil dem Vorsorgegedanken insbesondere auch bei Auszahlung der Versicherungsleistung in Form von Rentenleistungen entsprochen ist.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges ableiten. Denn während nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1920 Einmalbezüge aus jeder Art von Kapitalversicherung steuerfrei gestellt waren, wurde mit der Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 im Jahr 1974 die Steuerbefreiung der rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, mit dem Vorsorgegedanken und der Langfristigkeit der Ansparphase begründet. Auf die Art und Weise der Auszahlung der Erträge kam es dem Gesetzgeber -- anders als nach der früheren Rechtslage -- nicht mehr an.
Im Streitfall fielen auch die gesamten dem Steuerpflichtigen im Streitjahr zugeflossenen Rentenbezüge einheitlich unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004. Zwar führt die einheitliche Zuordnung der Rentenbezüge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Ergebnis dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 auch die in den Gesamtbezügen enthaltenen Zinsanteile der Auszahlungsphase steuerfrei gestellt werden, bei denen es sich materiell-rechtlich um der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegende Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne der Vorschrift handelt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei einer Ausübung des Kapitalwahlrechts durch den Steuerpflichtigen die gesamte Versicherungsleistung nicht der Besteuerung unterlegen hätte, da die in der Ansparphase erwirtschafteten Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit und der in der Versicherungsleistung enthaltene Kapitalabfindungsbetrag als nicht steuerbare Umschichtung zwischen den Beitragszahlungen und der Ablaufleistung zu behandeln gewesen wäre.
Aus Gründen der Gleichbehandlung mit ebenfalls nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Verträgen, bei denen der Steuerpflichtige von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch macht, sind deshalb auch die bei Ausübung des Rentenwahlrechts zufließenden Gesamtbezüge nicht der Besteuerung zu unterwerfen, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.