Richtsatzsammlung 2021
BMF-SchreibenEStG § 4
Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Die Richtsätze sind für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt worden. Sie gelten jedoch nicht für Großbetriebe. Bei ihrer Aufstellung wurde auf die Verhältnisse eines Normalbetriebs abgestellt, wobei im Vergleichsfall die Besonderheiten des Körperschaftsteuerrechts zu beachten sind.
Zur Anwendung der Richtsätze gelten folgende Grundsätze:
- Ist die Buchführung des Steuerpflichtigen formell ordnungsgemäß, berechtigt eine Abweichung der erklärten Gewinne oder Umsätze von den Zahlen der Richtsatzsammlung für sich noch keine abweichende Umsatz- oder Gewinnschätzung.
- Anders ist dies dagegen bei einem Steuerpflichtigen, der entweder trotz bestehender Buchführungspflicht keine Bücher geführt hat oder dessen Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Hier kann das FA Umsatz und Gewinn anhand der Richtsätze schätzen, wobei der Steuerpflichtige hierauf jedoch keinen Rechtsanspruch hat.
- Die Richtsätze finden auch Anwendung bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Da die Richtsätze jedoch auf einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich basieren, sind zunächst die sich aus dem Zufluss-Abfluss-Prinzip (§ 11 EStG) ergebenden Besonderheiten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch entsprechende Anpassungen zu korrigieren.
- Bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart sind Berichtigungen des Gewinns gem. R 4.6 Abs. 1 EStR vorzunehmen, wenn der Gewinn im Anschluss an eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nach Richtsätzen geschätzt oder nach einer Richtsatzschätzung im nächsten Jahr nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Ggf. müssen im Rahmen der Richtsatzschätzung zusätzlich Bestandsveränderungen (z.B. Warenbestände, Forderungen und Verbindlichkeiten) ermittelt bzw. geschätzt und berücksichtigt werden.
Beraterhinweis: In einem Begleitschreiben zur Richtsatzsammlung v. 28.11.2022 - IV A 8 - S 1544/19/10001 :006, DOK 2022/1178831 hat die Finanzverwaltung zur Anwendung der Richtsatzsammlung in wirtschaftlichen Krisensituationen Stellung genommen. Sie weist darauf hin, dass die Richtsatzsammlung ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung ist, um Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Dabei ist zu bedenken, dass die in der Richtsatzsammlung genannten Rohgewinnsätze, Rohgewinnaufschlagsätze sowie Halb- und Reingewinne dazu dienen, individuelle Sachverhalte verallgemeinernd abbilden zu können.
Im jeweiligen Einzelfall ist daher darauf zu achten, bei der Anwendung der Richtsätze stets auf die individuellen Verhältnisse der einzelnen zu prüfenden Betriebe einzugehen und diese zu berücksichtigen. In wirtschaftlichen Krisenzeiten (zum Beispiel aufgrund einer Pandemie oder eines Krieges), welche sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von vielen oder einzelnen Betrieben haben können, ist es daher unabdingbar, diesen Grundsatz der individuellen Betrachtung der Steuerpflichtigen in besonderem Maße zu beachten.
Im jeweiligen Einzelfall ist daher zu prüfen, ob und in welchem Umfang bei der Anwendung der Richtsätze Anpassungen vorzunehmen sind. Zur Unterstützung dient hierbei unter anderem bereits die Darstellung von Bandbreiten im Rahmen der Richtsatzsammlung.
Vor diesem Hintergrund ist die Finanzverwaltung gehalten, aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung (z.B. Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine), wie bisher auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber den Steuerpflichtigen zu achten.