Riesterrente: Zur Rückforderung von Altersvorsorgezulagen vom Zulageempfänger
BFH v. 9.7.2019 - X R 35/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin schloss bei einem Anbieter einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag ab. Aufgrund der Angabe des Anbieters, die Klägerin sei unmittelbar zulageberechtigt, zahlte die ZfA jährlich Zulagebeträge, die der Anbieter dem Konto der Klägerin gutschrieb. Nach Beendigung des Altersvorsorgevertrages stellte die ZfA im Rahmen einer Überprüfung die fehlende Zulageberechtigung der Klägerin für drei Beitragsjahre fest und forderte die insoweit gewährten Altersvorsorgezulagen von ihr zurück.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Altersvorsorgezulage für die genannten Jahre sei jeweils vom Anbieter unzutreffend beantragt worden. Als Kunde habe sie sich mit den Details nicht ausgekannt und sei der Meinung gewesen, dass alles seine Richtigkeit habe. Der zweite Fehler liege bei der Behörde. Die ZfA habe dem Antrag jeweils entsprochen und die Auszahlung vorgenommen; eine Prüfung der Richtigkeit habe sie versäumt. Ein solches behördliches Verhalten über Jahre hinweg sei als grob fahrlässig anzusehen. Bei ihr, der Klägerin, liege der Fehler jedenfalls nicht.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, die Voraussetzungen für die Rückforderung der für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der Klägerin nach dem - über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG - entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO vorliegen. Auf ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder ihres Anbieters kommt es nicht an. Die Rückforderung der Zulagen ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
§ 37 Abs. 2 AO über die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Leistungen ist auch bei Altersvorsorgezulagen anzuwenden, da speziellere Regelungen - jedenfalls nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage - nicht eingreifen. Insbesondere kommt eine Rückforderung über den Anbieter (vgl. § 90 Abs. 3 EStG) nicht in Betracht. Zwar berechtigt auch diese Vorschrift zur Rückforderung der Zulage, wenn die ZfA nachträglich erkennt, dass der Zulagenanspruch ganz oder teilweise nicht besteht. Die Rückforderung über den Anbieter, der nach Mitteilung der ZfA mittels Datensatzes das Konto des Zulageberechtigten zu belasten hat, setzt allerdings ein bestehendes Vertragsverhältnis (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 EStG) voraus. Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits zum 1.5.2010 beendet worden. Infolgedessen kam zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides eine Kontobelastung nicht mehr in Betracht.
Ob die Klägerin oder - wie sie behauptet - ihr Anbieter die fehlerhafte Mitteilung über die Zulageberechtigung zu vertreten hat, ist für § 37 Abs. 2 AO unerheblich, da die Vorschrift kein Verschulden voraussetzt. Der Umstand, dass die ZfA über mehrere Jahre hinweg eine Auszahlung von Zulagen allein aufgrund der ihr vom Anbieter übermittelten Daten veranlasst und erst nachträglich eine Prüfung der Zulageberechtigung der Klägerin vorgenommen hat, führt auch nicht zur Verwirkung des Rückforderungsanspruchs. Denn dieser Geschehensablauf entspricht in typischer Weise der gesetzlichen Ausgestaltung des Zulageverfahrens. Die Klägerin ist daher in ihrem Vertrauen auf das Behaltendürfen der unberechtigt erhaltenen Zulagen nicht schutzwürdig.
Linkhinweis:
BFH PM Nr. 55 vom 29.8.2019
Die Klägerin schloss bei einem Anbieter einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag ab. Aufgrund der Angabe des Anbieters, die Klägerin sei unmittelbar zulageberechtigt, zahlte die ZfA jährlich Zulagebeträge, die der Anbieter dem Konto der Klägerin gutschrieb. Nach Beendigung des Altersvorsorgevertrages stellte die ZfA im Rahmen einer Überprüfung die fehlende Zulageberechtigung der Klägerin für drei Beitragsjahre fest und forderte die insoweit gewährten Altersvorsorgezulagen von ihr zurück.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Altersvorsorgezulage für die genannten Jahre sei jeweils vom Anbieter unzutreffend beantragt worden. Als Kunde habe sie sich mit den Details nicht ausgekannt und sei der Meinung gewesen, dass alles seine Richtigkeit habe. Der zweite Fehler liege bei der Behörde. Die ZfA habe dem Antrag jeweils entsprochen und die Auszahlung vorgenommen; eine Prüfung der Richtigkeit habe sie versäumt. Ein solches behördliches Verhalten über Jahre hinweg sei als grob fahrlässig anzusehen. Bei ihr, der Klägerin, liege der Fehler jedenfalls nicht.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, die Voraussetzungen für die Rückforderung der für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der Klägerin nach dem - über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG - entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO vorliegen. Auf ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder ihres Anbieters kommt es nicht an. Die Rückforderung der Zulagen ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
§ 37 Abs. 2 AO über die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Leistungen ist auch bei Altersvorsorgezulagen anzuwenden, da speziellere Regelungen - jedenfalls nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage - nicht eingreifen. Insbesondere kommt eine Rückforderung über den Anbieter (vgl. § 90 Abs. 3 EStG) nicht in Betracht. Zwar berechtigt auch diese Vorschrift zur Rückforderung der Zulage, wenn die ZfA nachträglich erkennt, dass der Zulagenanspruch ganz oder teilweise nicht besteht. Die Rückforderung über den Anbieter, der nach Mitteilung der ZfA mittels Datensatzes das Konto des Zulageberechtigten zu belasten hat, setzt allerdings ein bestehendes Vertragsverhältnis (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 EStG) voraus. Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits zum 1.5.2010 beendet worden. Infolgedessen kam zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides eine Kontobelastung nicht mehr in Betracht.
Ob die Klägerin oder - wie sie behauptet - ihr Anbieter die fehlerhafte Mitteilung über die Zulageberechtigung zu vertreten hat, ist für § 37 Abs. 2 AO unerheblich, da die Vorschrift kein Verschulden voraussetzt. Der Umstand, dass die ZfA über mehrere Jahre hinweg eine Auszahlung von Zulagen allein aufgrund der ihr vom Anbieter übermittelten Daten veranlasst und erst nachträglich eine Prüfung der Zulageberechtigung der Klägerin vorgenommen hat, führt auch nicht zur Verwirkung des Rückforderungsanspruchs. Denn dieser Geschehensablauf entspricht in typischer Weise der gesetzlichen Ausgestaltung des Zulageverfahrens. Die Klägerin ist daher in ihrem Vertrauen auf das Behaltendürfen der unberechtigt erhaltenen Zulagen nicht schutzwürdig.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.