02.01.2018

Rom-III-Verordnung bestimmt nicht das auf Privatscheidungen anwendbare Recht

Eine durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung fällt nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung. Für die Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich dieser Verordnung wären Änderungen erforderlich, für die allein der Unionsgesetzgeber zuständig ist.

EuGH 20.12.2017, C-372/16
Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner und die Antragstellerin haben in Syrien geheiratet und leben zurzeit in Deutschland. Sie besitzen sowohl die syrische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. 2013 erklärte der Antragsgegner die Scheidung von seiner Ehefrau, indem sein Bevollmächtigter vor dem geistlichen Scharia-Gericht in Latakia (Syrien) die Scheidungsformel aussprach. Das Gericht stellte die Scheidung fest.

Dabei handelt es sich um eine sog. Privatscheidung, da das geistliche Gericht nicht konstitutiv mitwirkt. Die Antragstellerin unterzeichnete daraufhin eine Erklärung, wonach sie alle ihr nach religiösen Vorschriften aus dem Ehevertrag und aufgrund der auf einseitigem Wunsch erfolgten Scheidung zustehenden Leistungen erhalten habe und ihren Ehemann somit von allen ihr zustehenden Verpflichtungen befreie.

Der Antragsgegner beantragte in Deutschland die Anerkennung der Ehescheidung. Der Präsident des OLG München gab dem Antrag statt, wobei er davon ausging, dass diese Art von Anträgen von der Rom-III-Verordnung über das auf Ehescheidungen anwendbare Recht (Verordnung (EU) Nr. 1259/2010) erfasst werde, nach der auf die Scheidung das syrische Recht anwendbar sei. Hiergegen rief die Antragstellerin das OLG an, das dem EuGH nunmehr mehrere Fragen nach der Auslegung der Rom-III-Verordnung vorgelegt hat.

Die Gründe:
In einer früheren Entscheidung (EuGH 12.5.2016, C-281/15) hat der EuGH bereits festgestellt, dass die Rom-III-Verordnung als solche auf die Anerkennung einer in einem Drittstaat ausgesprochenen Scheidung nicht anwendbar ist. Gleichwohl werden nach deutschem Recht die materiellen Voraussetzungen, denen eine in einem Drittstaat ausgesprochene Privatscheidung für die Anerkennung in Deutschland zu genügen hat, nach dem Recht des gemäß dieser Verordnung zu bestimmenden Staates geprüft.

Nach den Angaben des OLG München würde, sollte die Rom-III-Verordnung auf Privatscheidungen nicht anwendbar sein, der vorliegende Rechtsstreit nach den deutschen Kollisionsnormen zu entscheiden sein. Daher ist dennoch zu prüfen, ob die Verordnung als solche auf Privatscheidungen wie die im vorliegenden Fall, die durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkt werden, anwendbar ist und somit das anwendbare Recht bestimmt.

Es ist jedoch festzustellen, dass sich aus den mit der Rom-III-Verordnung verfolgten Zielen ergibt, dass diese Verordnung nur Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden. Eine durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung wie die im Ausgangsverfahren fällt daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung.

Seit dem Erlass der Rom-III-Verordnung haben zwar mehrere Mitgliedstaaten in ihren Rechtsordnungen die Möglichkeit eingeführt, Ehescheidungen ohne Tätigwerden einer staatlichen Behörde auszusprechen. Für die Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich dieser Verordnung wären aber Änderungen erforderlich, für die allein der Unionsgesetzgeber zuständig ist.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 137 vom 20.12.2017
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