Rückforderung von Kindergeld: Zum Einwand der Weiterleitung beim Berechtigtenwechsel
BFH 22.9.2011, III R 82/08Im Februar 1995 beantragte der Kläger Kindergeld für seinen und der Beigeladenen Sohn. Mit Antrag auf Kindergeld von Dezember 1999 teilte der Kläger der beklagten Familienkasse die Geburt seines zweiten im Dezember 1999 geborenen Sohnes sowie eine neue Bankverbindung (Kontonummer und Bankleitzahl) bei einer Sparkasse mit. Die Beigeladene erklärte sich mit ihrer Unterschrift damit einverstanden, dass dem bisherigen Berechtigten - dem Kläger - das Kindergeld auch für das weitere gemeinsame Kind gezahlt wird.
Das Kindergeld wurde in der Folgezeit laufend auf das angegebene Konto bei der Sparkasse gezahlt. Im November 2004 erhielt die Familienkasse davon Kenntnis, dass sich der Kläger zum 1.9.2003 aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung abgemeldet hat und umgezogen ist. Die Beigeladene und die beiden Kinder sind in der bisherigen Wohnung verblieben. Mit Antrag von Februar 2005 beantragte die Beigeladene Kindergeld für die beiden Kinder. Als Konto gab sie dasselbe an, auf das zuvor das Kindergeld gezahlt worden war. Seit Februar 2005 wird das Kindergeld auf dieses Konto der Beigeladenen bei der Sparkasse gezahlt.
Im Dezember 2005 hob die Familienkasse gegenüber dem Kläger die Kindergeldfestsetzung für die beiden Kinder ab September 2003 nach § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für die Zeit von September 2003 bis Januar 2005 i.H.v. 5.236 € ausbezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurück.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH da Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Erstattungsanspruch der Familienkasse gegenüber dem Kläger ausgeschlossen ist.
Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten des Klägers infolge seines vor dem 1.9.2003 erfolgten Auszugs aus der gemeinsamen Familienwohnung zu Recht ab September 2003 aufgehoben (§ 70 Abs. 2 EStG), weil die Beigeladene hierdurch zur vorrangig Berechtigten geworden ist (§ 64 Abs. 2 S. 1 EStG). Der Kläger ist gem. § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn für die Zeit von September 2003 bis Januar 2005 ausbezahlte Kindergeld i.H.v. 5.236 € zu erstatten. Unerheblich ist, dass das Kindergeld auf ein Konto überwiesen wurde, über das im Streitzeitraum nur noch die Beigeladene verfügen konnte.
Da der durch die Anweisung begünstigte Zahlungsempfänger den Zahlungsanspruch - im Streitfall die Beigeladene mangels Kindergeldfestsetzung zu ihren Gunsten - nicht aus eigenem Recht geltend machen kann und die Leistung mit dem Willen erbracht wird, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber mit befreiender Wirkung zu erfüllen, ist nicht der Empfänger der Zahlung, sondern der nach materiellem Steuerrecht (vermeintlich) Kindergeldberechtigte als Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO anzusehen. Danach war im Streitfall der Kläger Leistungsempfänger des ohne Rechtsgrund gezahlten Kindergeldes. Die Anweisung zur Überweisung auf ein Konto, über das der Kläger nicht mehr verfügen konnte, erfolgte zudem auf Anweisung des Klägers.
Der Kläger kann - entgegen der Auffassung des FG - gegenüber dem Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO nicht geltend machen, er habe das Kindergeld an die Beigeladene als vorrangig Berechtigte weitergeleitet. Gem. Abschn. 64.4 Abs. 3 DA-FamEStG kann der Erstattungsschuldner geltend machen, den Erstattungsanspruch durch Weiterleitung erfüllt zu haben, wenn er u.a. die schriftliche Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht. Diesen Voraussetzungen hat der Kläger nicht Genüge getan. Er hat die erforderliche schriftliche Bestätigung der Beigeladenen als vorrangig Berechtigte auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck nicht vorgelegt.
Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie das FG meint - im Streitfall besondere Umstände vorlägen. Ebenso verstößt die Rückforderung des Kindergeldes nicht gegen den Rechtsgedanken des Schikaneverbots (§ 226 BGB), und der Erstattungsanspruch ist auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen.
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