28.03.2013

Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007

§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anwenbar. Die in § 52 Abs. 55j S. 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelte rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nicht gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze (Rückwirkungsverbot).

BFH 17.1.2013, VI R 32/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Daneben erwirtschaftete er Überschüsse der Werbungskosten über die Mieteinnahmen aus der langfristigen Vermietung einer Doppelhaushälfte, die jeweils über 2.000 € lagen. Die Einkommensteuererklärungen gingen am 28.12.2009 beim Finanzamt ein. Die Behörde lehnte die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen allerdings ab, weil für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Demnach habe der BFH im Jahr 2006 entschieden, dass eine Veranlagung von Amts wegen auch dann durchzuführen sei, wenn die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 € übersteige. Somit habe der Kläger einen Anspruch auf Abgabe der Einkommensteuererklärungen innerhalb der Festsetzungsfrist und Durchführung der Amtsveranlagungen erworben. Dieser Anspruch sei bereits mit Ablauf der jeweiligen Kalenderjahre und nicht erst mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen entstanden und nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Zudem sei die Rechtslage für die Streitjahre nicht durch das Jahressteuergesetz JStG 2007 wirksam geändert worden.

Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was hier nicht der Fall ist, die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 410 € beträgt. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist gem. § 52 Abs. 55j S. 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 (früher § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2007) auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 und damit die Streitjahre anzuwenden. Wortlaut und Gesetzeszweck der Vorschriften sind insoweit eindeutig.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz verstößt diese Auslegung des § 52 Abs. 55j S. 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Das Rückwirkungsverbot, tritt dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder eine gefestigte Rechtsanwendungspraxis zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird. Infolgedessen durfte der Gesetzgeber für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (weiterhin) positive Nebeneinkünfte voraussetzen. Denn mit der Neuregelung hat er lediglich die Rechtslage wiederhergestellt, die bis zu den Entscheidungen des BFH vom 21.9.2006 der jahrzehntelangen Besteuerungspraxis und der nahezu einhelligen Meinung im Fachschrifttum entsprochen hat. Außerdem hatte Gesetzgeber bereits im September 2006 angekündigt, dass er zur bisherigen Rechtslage zurückkehren werde.

Damit kam im vorliegenden Fall allein eine Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008 EStG n.F. vom 20.12.2007 in Betracht. Danach wird eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt wird. Die - frühere zusätzliche - Voraussetzung, dass der Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres zu stellen war, ist entfallen. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. ist gem. § 52 Abs. 55j S. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in Fällen, in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Letzteres traf hier zu. Eine bestandskräftige Ablehnung des Antrags des Klägers auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre lag nicht vor. Der Veranlagung stand jedoch der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.

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