16.11.2021

Rückzahlung der Corona-Soforthilfe erhöht die Haftungsquote nicht

Die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe ist nicht in die Berechnung der Haftungsquote einzubeziehen. Die Pflicht zur anteiligen Tilgung der Steuerschulden und die bei Verletzung dieser Pflicht drohende Haftung nach § 69 AO wurden nicht durch das COVInsAG ausgesetzt.

FG Münster v. 15.10.2021 - 9 V 2341/21 K
Der Sachverhalt:
Das Verfahren hat einen Antrag zur Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids zum Inhalt. Die Antragstellerin war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer UG. Das Finanzamt behandelte Gehaltszahlungen der UG an die Antragstellerin als verdeckte Gewinnausschüttungen, was zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuerfestsetzungen führte. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der UG eröffnet, woraufhin das Finanzamt die Antragstellerin nach § 69 AO für die rückständigen Steuerschulden der UG in Haftung nahm.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Antragstellerin eine noch anhängige Klage gegen den Haftungsbescheid und beantragte für das Klageverfahren bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung gab sie an, dass die UG eine Corona-Soforthilfe i.H.v. 9.000 € erhalten habe, die nicht für Steuerzahlungen zu verwenden gewesen sei. Von den im Haftungszeitraum getätigten Ausgaben seien ca. 2.300 € auf die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe entfallen. Ferner habe sich die Antragstellerin durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht während der Pandemie durch das COVInsAG auch vor einer Haftungsinanspruchnahme geschützt gefühlt. Ohne die unerwarteten Steuernachzahlungen aufgrund der verdeckten Gewinnausschüttungen hätte sie keinen Insolvenzantrag stellen müssen.

Das FG gab dem Antrag teilweise statt. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die Gründe:
Vorliegend bestehen nur insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides, als der Antragsgegner die Antragstellerin über einen Betrag von 1.700 € hinaus in Haftung genommen hat.

Die Antragstellerin als Geschäftsführerin haftet dem Grunde nach gem. § 69 AO für die rückständigen Steuern der UG. Nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung kann sie jedoch bei summarischer Betrachtung lediglich i.H.v. 35 % der rückständigen Steuern in Anspruch genommen werden. Es ist ernstlich zweifelhaft, bei der Berechnung der Haftungsquote die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe in die Gesamtverbindlichkeiten und in die bezahlten Verbindlichkeiten der UG einzubeziehen, da die Soforthilfe zweckgebunden und damit nicht pfändbar ist. Daraus ergibt sich, dass der Betrag auch nicht für alte Steuerschulden verwendet werden darf. Ohne Berücksichtigung des Rückzahlungsbetrages hätten der UG Mittel zur Verfügung gestanden, um ca. 35 % der Gesamtverbindlichkeiten zu tilgen.

Die Regelungen des COVInsAG stehen einer Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin nicht entgegen. Dieses Gesetz ist bereits nicht einschlägig, da die Insolvenzreife der UG nach eigenen Angaben der Antragstellerin nicht auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie, sondern auf die unerwarteten Steuerverbindlichkeiten aufgrund der verdeckten Gewinnausschüttungen zurückzuführen ist. Im Übrigen wurden die Pflicht zur anteiligen Tilgung der Steuerschulden und die bei Verletzung dieser Pflicht drohende Haftung nach § 69 AO nicht durch das COVInsAG ausgesetzt.

Mehr zum Thema:
  • Literatur: Scholz --- GmbH-Gesetz, I. Band (§§ 1 - 34), II. Band (§§ 35 - 52), III. Band (§§ 53 - 88), (ZIP 2021, 2204)
  • Umsatzsteuerliche Organschaft bei Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung und überschießende Tendenz in § 5 Abs. 1 COVInsAG (Weber, ZIP 2021, 2115)
  • Insolvenzrecht und Katastrophen - Lehren, die gezogen werden sollten (Paulus/Berg, ZIP 2021, 1742)
  • Testen Sie jetzt 4 Wochen lang gratis unsere Datenbank Otto Schmidt und lesen Sie gleich weiter im Beratermodul ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
FG Münster NL vom 15.11.2021
Zurück