12.01.2018

Schätzung der Miete für Zimmer in sog. Modellwohnungen

Liegen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor, begegnet es keinen Bedenken, in einer Großstadt von einer wöchentlichen Miete für ein Zimmer in einer sog. Modellwohnung von 350 € auszugehen. Die Besonderheiten des Einzelfalls können eine schätzweise Reduzierung der Marktmiete nahelegen (im Streitfall auf 300 €), beispielsweise wenn unbefristete schriftliche Mietverträge abgeschlossen werden, die für eine längerfristige vertragliche Bindung sprechen können.

FG Hamburg 15.8.2017, 2 K 270/15
Der Sachverhalt:
Streitig sind nach einer Außenprüfung ergangene Änderungsbescheide über Einkommensteuer. Der Kläger vermietete in den Streitjahren 2010 bis 2012 möblierte Zimmer in von ihm angemieteten sog. Modellwohnungen an Prostituierte, die dort ihrer Tätigkeit nachgingen. Er erklärte insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, basierend auf einer Zimmermiete von 750 € bzw. 600 € mtl. pro Zimmer. Ab 2013 stellte er die Miete auf eine tägliche Zahlweise von 50 € pro Tag um.

Nach einer Außenprüfung für die Streitjahre betreffend Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer sah das Finanzamt die Voraussetzungen für eine (Zu)Schätzung als erfüllt an. Der Kläger habe keine Aufzeichnungen und kein Kassenbuch vorlegen können. Das Finanzamt ging davon aus, dass höhere Mieten als in den schriftlichen Untermietverträgen ausgewiesen erzielt worden waren, und zwar 350 € pro Woche pro Zimmer. Zudem sah er die Überlassung der Räumlichkeiten als gewerbliche Zimmervermietung an, weil über eine normale Vermietung hinausgehende Leistungen erbracht worden seien und unterwarf die Leistungen auch der Umsatzsteuer. Es ergingen entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen. Die zwischenzeitlich anhängige Nichtzulassungsbeschwerde wird beim BFH unter dem Az. IX B 115/17 geführt.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine (Zu)Schätzung sind dem Grunde nach erfüllt, die Schätzung ist jedoch der Höhe nach rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, die Einkommensteuer ist in den Streitjahren 2010 und 2012 herabzusetzen.

Es besteht Anlass, die Richtigkeit der Angaben des Klägers hinsichtlich der vereinnahmten Mieten anzuzweifeln. Der Kläger hat die Mieten stets bar vereinnahmt. Er hat überwiegend für das einzelne Zimmer in den Modellwohnungen eine mtl. Mieteinnahme von 750 € bzw. 600 € für kleinere Zimmer erklärt. Tatsächlich werden in Hamburg für Zimmer in Modellwohnungen aber durchweg erheblich höhere Mieten erzielt, und zwar wöchentlich zwischen 300 € bis 350 €. Dieser Größenordnung entsprechend hat der Kläger nach den Streitjahren ab 2013 auch eine Tagesmiete von 50 € erzielt. Auch die in den Wohnungen des Klägers angetroffenen Untermieterinnen haben wöchentliche Mietzahlungen von 300 € bis 350 € bestätigt. Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen liegen danach dem Grunde nach vor.

Das FG hat von seiner eigenen Schätzungsbefugnis gem. § 96 Abs. 1 S. 1 FGO i.V.m. §§ 158, 162 AO Gebrauch gemacht, die Besteuerungsgrundlagen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und dem Ergebnis der Beweisaufnahme abweichend vom Finanzamt geschätzt und eine niedrigere Zimmermiete von 300 € pro Woche zugrunde gelegt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger nach der Ausgestaltung der Mietverträge unbefristete Mitverträge mit seinen Mieterinnen abgeschlossen hatte. Auch wenn diese mit einer zweiwöchigen Frist gekündigt werden konnten, waren sie doch eher auf Dauer angelegt. Diese Dauerhaftigkeit der Nutzungsüberlassung könnte Einfluss auf die Miethöhe gehabt und im Ergebnis zu einer Reduzierung der ansonsten bei wöchentlicher Vermietung üblichen Markt-Miete von 350 € geführt haben.

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