Schenkungsteuer: Gehören geleistete Anzahlungen zum Verwaltungsvermögen?
FG Münster v. 22.10.2020 - 3 K 2699/17 F
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 21.11.2013 hatte der Beigeladene Herr V. einen Teilgeschäftsanteil über nominal 295.000 € (entspricht rd. 49,17 % des Nennkapitals) an der Klägerin mit Wirkung zum 1.12.2013 schenkweise an seinen Sohn, den Beigeladenen Herrn N. übertragen. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss am gleichen Tag eine Sitzverlegung; eine neue Geschäftsanschrift der Klägerin wurde am 9.5.2014 ins Handelsregister eingetragen. Zum Vermögen der Klägerin gehörten unter anderem Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften.
Bei einer Außenprüfung im Jahr 2015 hatte der Prüfer den gemeinen Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft i.H.v. rund 11,1 Mio. € ermittelt. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens bisher zu Unrecht der Ansatz von geleisteten Anzahlungen i.H.v. insgesamt 3,8 Mio. € unterblieben sei. Der Betrag setze sich zusammen aus Anzahlungen i.H.v. 3,2 Mio. € im Zusammenhang mit dem Verwaltungsneubau sowie in Höhe von 626.673 € im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb. Schließlich wurde ein gegenüber der Erklärung um 106.606 € höheres Geschäftsguthaben ermittelt, sodass sich die Finanzmittel vor Abzug von Schulden auf rund 27,1 Mio. € und das maßgebliche Verwaltungsvermögen auf 3,9 Mio. € erhöhten.
In Umsetzung des Betriebsprüfungsberichts wurden die Bescheide des Klägers und der Beigeladenen entsprechend geändert. Die Quote des Verwaltungsvermögens wurde nunmehr mit 17,43 % mitgeteilt. Die Klägerin wandte sich zum einen gegen die Berücksichtigung der Anzahlungen als Verwaltungsvermögen und zum anderen gegen eine unzutreffend berücksichtigte Wertfeststellung bei einer Tochtergesellschaft.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die geleisteten Anzahlungen i.H.v. 3,2 Mio. € im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes und i.H.v. 626.673 € im Zusammenhang mit der laufenden Geschäftstätigkeit der Klägerin zu Unrecht bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. als andere Forderungen im Sinne dieser Vorschrift und damit als Verwaltungsvermögen berücksichtigt.
Auf die vorliegende Übertragung am 1.12.2013 ist § 13b ErbStG a.F. nach Maßgabe des § 37 Abs. 8 ErbStG anzuwenden, weil die Steuer nach dem 6.6.2013 entstanden war. Zum Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. gehört der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Nach den Sätzen 2 und 3 gelten hier nicht einschlägige Ausnahmen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Gesellschaften, deren Hauptzweck in der Finanzierung einer gewerblichen Tätigkeit von verbundenen Unternehmen besteht.
Der Begriff der anderen Forderungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. ist nicht näher definiert und daher auslegungsbedürftig. Der Senat befürwortet in diesem Zusammenhang die einschränkende Auslegung. Dafür spricht bereits der Vergleich mit den übrigen in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. genannten Vermögensposten (Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen). Diesen ist gemein, dass sie ebenfalls auf Geld gerichtete Forderungen darstellen, dem Inhaber also einen Anspruch auf Zahlung von Geld vermitteln. Dies lässt den Schluss zu, dass mit dem Begriff der "anderen Forderungen" nicht sämtliche sonstige Forderungen, sondern nur solche mit Bezug zu einem Zahlungsmittel, mithin auf Geld gerichtete Forderungen, gemeint sein sollen. Das Ergebnis findet seine Stütze zudem in der Gesetzeshistorie und dem Zweck des Gesetzes. Die Nr. 4a wurde mit Art. 30 des Gesetzes vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, 1809) in den Katalog des schädlichen Verwaltungsvermögens des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F. aufgenommen.
Nach diesen Maßgaben unterfallen die geleisteten Anzahlungen - anders als das Finanzamt auf der Grundlage der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 (BStBl. I 2013, 1272, Tz 2.1) annimmt - nicht den "anderen Forderungen" i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. Die Klägerin war nicht berechtigt, die geleisteten Anzahlungen zurückzufordern, sodass sie keine auf Geld gerichtete Forderung innehatte. Die geleisteten Anzahlungen verkörpern vielmehr Sachleistungsansprüche und stellen damit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung keine auf Geld gerichteten Forderungen dar.
Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Dem steht nicht entgegen, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a. F. auslaufendes Recht betrifft, da sich die Frage der Auslegung des Begriffs "andere Forderungen" auch für den nunmehr geltenden § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG stellt.
FG Münster online
Mit notariellem Vertrag vom 21.11.2013 hatte der Beigeladene Herr V. einen Teilgeschäftsanteil über nominal 295.000 € (entspricht rd. 49,17 % des Nennkapitals) an der Klägerin mit Wirkung zum 1.12.2013 schenkweise an seinen Sohn, den Beigeladenen Herrn N. übertragen. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss am gleichen Tag eine Sitzverlegung; eine neue Geschäftsanschrift der Klägerin wurde am 9.5.2014 ins Handelsregister eingetragen. Zum Vermögen der Klägerin gehörten unter anderem Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften.
Bei einer Außenprüfung im Jahr 2015 hatte der Prüfer den gemeinen Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft i.H.v. rund 11,1 Mio. € ermittelt. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens bisher zu Unrecht der Ansatz von geleisteten Anzahlungen i.H.v. insgesamt 3,8 Mio. € unterblieben sei. Der Betrag setze sich zusammen aus Anzahlungen i.H.v. 3,2 Mio. € im Zusammenhang mit dem Verwaltungsneubau sowie in Höhe von 626.673 € im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb. Schließlich wurde ein gegenüber der Erklärung um 106.606 € höheres Geschäftsguthaben ermittelt, sodass sich die Finanzmittel vor Abzug von Schulden auf rund 27,1 Mio. € und das maßgebliche Verwaltungsvermögen auf 3,9 Mio. € erhöhten.
In Umsetzung des Betriebsprüfungsberichts wurden die Bescheide des Klägers und der Beigeladenen entsprechend geändert. Die Quote des Verwaltungsvermögens wurde nunmehr mit 17,43 % mitgeteilt. Die Klägerin wandte sich zum einen gegen die Berücksichtigung der Anzahlungen als Verwaltungsvermögen und zum anderen gegen eine unzutreffend berücksichtigte Wertfeststellung bei einer Tochtergesellschaft.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die geleisteten Anzahlungen i.H.v. 3,2 Mio. € im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes und i.H.v. 626.673 € im Zusammenhang mit der laufenden Geschäftstätigkeit der Klägerin zu Unrecht bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. als andere Forderungen im Sinne dieser Vorschrift und damit als Verwaltungsvermögen berücksichtigt.
Auf die vorliegende Übertragung am 1.12.2013 ist § 13b ErbStG a.F. nach Maßgabe des § 37 Abs. 8 ErbStG anzuwenden, weil die Steuer nach dem 6.6.2013 entstanden war. Zum Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. gehört der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Nach den Sätzen 2 und 3 gelten hier nicht einschlägige Ausnahmen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Gesellschaften, deren Hauptzweck in der Finanzierung einer gewerblichen Tätigkeit von verbundenen Unternehmen besteht.
Der Begriff der anderen Forderungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. ist nicht näher definiert und daher auslegungsbedürftig. Der Senat befürwortet in diesem Zusammenhang die einschränkende Auslegung. Dafür spricht bereits der Vergleich mit den übrigen in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. genannten Vermögensposten (Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen). Diesen ist gemein, dass sie ebenfalls auf Geld gerichtete Forderungen darstellen, dem Inhaber also einen Anspruch auf Zahlung von Geld vermitteln. Dies lässt den Schluss zu, dass mit dem Begriff der "anderen Forderungen" nicht sämtliche sonstige Forderungen, sondern nur solche mit Bezug zu einem Zahlungsmittel, mithin auf Geld gerichtete Forderungen, gemeint sein sollen. Das Ergebnis findet seine Stütze zudem in der Gesetzeshistorie und dem Zweck des Gesetzes. Die Nr. 4a wurde mit Art. 30 des Gesetzes vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, 1809) in den Katalog des schädlichen Verwaltungsvermögens des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F. aufgenommen.
Nach diesen Maßgaben unterfallen die geleisteten Anzahlungen - anders als das Finanzamt auf der Grundlage der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 (BStBl. I 2013, 1272, Tz 2.1) annimmt - nicht den "anderen Forderungen" i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. Die Klägerin war nicht berechtigt, die geleisteten Anzahlungen zurückzufordern, sodass sie keine auf Geld gerichtete Forderung innehatte. Die geleisteten Anzahlungen verkörpern vielmehr Sachleistungsansprüche und stellen damit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung keine auf Geld gerichteten Forderungen dar.
Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Dem steht nicht entgegen, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a. F. auslaufendes Recht betrifft, da sich die Frage der Auslegung des Begriffs "andere Forderungen" auch für den nunmehr geltenden § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG stellt.