Sind Fahrtkosten zur Betreuung von Enkelkindern als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig?
FG Münster v. 1.3.2020 - 9 K 1651/18 E
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für dieses Jahr machten sie Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Zur Erläuterung führten sie aus, dass die Tochter sowie ihr Ehemann in einem Restaurant tätig seien und deshalb bis spät in die Nacht und an Wochenenden auf Kinderbetreuung angewiesen seien. Ein Babysitter sei für diese Zeiträume kaum zu finden bzw. unbezahlbar. Deshalb sei die Klägerin jedes Wochenende und an Feiertagen zu ihrer Tochter gefahren, um das Enkelkind bzw. die Enkelkinder zu beaufsichtigen. Für 2009 bezifferten die Kläger die Aufwendungen auf insgesamt 5.994 €.
Das Finanzamt erkannte die als Werbungskosten geltend gemachten Reisekosten der Kläger nicht an. Die Besuche der Kläger bei der Tochter bzw. den Enkelkindern seien nicht zwangsläufig und außergewöhnlich. Der Grad der Intensität der Kontaktpflege sei frei gewählt, da insbesondere kein medizinisch indizierter Umgang vorliege.
Hiergegen wandten sich die Kläger. Sie wiesen darauf hin, dass für sie eine sittliche Verpflichtung gegenüber der Tochter bestanden habe. Der Kläger sei Katholik und studierter Theologe und habe am Wohnort der Tochter noch engen Kontakt zu zahlreichen Freunden und Familienmitgliedern. Es wäre dort als Skandal angesehen worden, wenn er sich in der vorhandenen Notlage nicht um seine Enkelkinder und die Tochter gekümmert hätte. Auch die Großeltern seien als Verwandte in gerader Linie gem. § 1606 BGB zum Unterhalt gegenüber den Enkelkindern verpflichtet, wenn die Eltern hierzu wirtschaftlich nicht in der Lage seien.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht den von den Klägern begehrten Abzug von Kinderbetreuungskosten (Fahrtkosten und Kosten für Verpflegungsmehraufwand) als außergewöhnliche Belastungen versagt.
Die Aufwendungen für Besuche zwischen nahen Angehörigen sind regelmäßig nicht als außergewöhnlich, sondern typisierend als durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten anzusehen. Das gilt nach BFH-Rechtsprechung auch dann, wenn der besuchte Angehörige erkrankt oder pflegebedürftig ist und Fahrten in kürzeren zeitlichen Abständen oder über größere Entfernungen durchgeführt werden. Denn es ist üblich und nicht im vorgenannten Sinne außergewöhnlich, wenn ein erkrankter oder pflegebedürftiger Angehöriger häufiger und auch über größere Entfernungen besucht wird als ein gesunder.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, dass Aufwendungen für Besuche zwischen Angehörigen nach § 33 EStG nicht berücksichtigt werden können, auch wenn sie im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind, lässt die BFH-Rechtsprechung nur zu, wenn Besuchsfahrten ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens getätigt werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit oder ein Leiden erträglicher zu machen, so dass die Kosten zu den unmittelbaren Krankheitskosten rechnen. Im Streitfall lag jedoch keine derartige Situation vor, die aus sittlichen Gründen eine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertigt, dass Besuchsfahrten zu Angehörigen nicht steuerlich berücksichtigt werden können.
Insbesondere folgt eine sittliche Zwangsläufigkeit nicht aus dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Art. 6 Abs. 1 GG stellt die elterliche Entscheidung für Kinder unter besonderen Schutz stellt und verbietet, erwerbstätigen Eltern bei der Einkommensbesteuerung die "Vermeidbarkeit" ihrer Kinder entgegenzuhalten. Erwerbsbedingt notwendige Kinderbetreuungskosten müssen daher zumindest als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein.
Der Gesetzgeber ist allerdings berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen und damit zu bestimmen, wieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind. Diese durch die Verfassung vorgegebenen Grundsätze finden aber - entgegen der Auffassung der Kläger - nur auf die Eltern der Kinder, nicht aber auf die Großeltern Anwendung. Denn die Eltern und nicht die Großeltern haben nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge).
justiz.nrw
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für dieses Jahr machten sie Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Zur Erläuterung führten sie aus, dass die Tochter sowie ihr Ehemann in einem Restaurant tätig seien und deshalb bis spät in die Nacht und an Wochenenden auf Kinderbetreuung angewiesen seien. Ein Babysitter sei für diese Zeiträume kaum zu finden bzw. unbezahlbar. Deshalb sei die Klägerin jedes Wochenende und an Feiertagen zu ihrer Tochter gefahren, um das Enkelkind bzw. die Enkelkinder zu beaufsichtigen. Für 2009 bezifferten die Kläger die Aufwendungen auf insgesamt 5.994 €.
Das Finanzamt erkannte die als Werbungskosten geltend gemachten Reisekosten der Kläger nicht an. Die Besuche der Kläger bei der Tochter bzw. den Enkelkindern seien nicht zwangsläufig und außergewöhnlich. Der Grad der Intensität der Kontaktpflege sei frei gewählt, da insbesondere kein medizinisch indizierter Umgang vorliege.
Hiergegen wandten sich die Kläger. Sie wiesen darauf hin, dass für sie eine sittliche Verpflichtung gegenüber der Tochter bestanden habe. Der Kläger sei Katholik und studierter Theologe und habe am Wohnort der Tochter noch engen Kontakt zu zahlreichen Freunden und Familienmitgliedern. Es wäre dort als Skandal angesehen worden, wenn er sich in der vorhandenen Notlage nicht um seine Enkelkinder und die Tochter gekümmert hätte. Auch die Großeltern seien als Verwandte in gerader Linie gem. § 1606 BGB zum Unterhalt gegenüber den Enkelkindern verpflichtet, wenn die Eltern hierzu wirtschaftlich nicht in der Lage seien.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht den von den Klägern begehrten Abzug von Kinderbetreuungskosten (Fahrtkosten und Kosten für Verpflegungsmehraufwand) als außergewöhnliche Belastungen versagt.
Die Aufwendungen für Besuche zwischen nahen Angehörigen sind regelmäßig nicht als außergewöhnlich, sondern typisierend als durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten anzusehen. Das gilt nach BFH-Rechtsprechung auch dann, wenn der besuchte Angehörige erkrankt oder pflegebedürftig ist und Fahrten in kürzeren zeitlichen Abständen oder über größere Entfernungen durchgeführt werden. Denn es ist üblich und nicht im vorgenannten Sinne außergewöhnlich, wenn ein erkrankter oder pflegebedürftiger Angehöriger häufiger und auch über größere Entfernungen besucht wird als ein gesunder.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, dass Aufwendungen für Besuche zwischen Angehörigen nach § 33 EStG nicht berücksichtigt werden können, auch wenn sie im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind, lässt die BFH-Rechtsprechung nur zu, wenn Besuchsfahrten ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens getätigt werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit oder ein Leiden erträglicher zu machen, so dass die Kosten zu den unmittelbaren Krankheitskosten rechnen. Im Streitfall lag jedoch keine derartige Situation vor, die aus sittlichen Gründen eine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertigt, dass Besuchsfahrten zu Angehörigen nicht steuerlich berücksichtigt werden können.
Insbesondere folgt eine sittliche Zwangsläufigkeit nicht aus dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Art. 6 Abs. 1 GG stellt die elterliche Entscheidung für Kinder unter besonderen Schutz stellt und verbietet, erwerbstätigen Eltern bei der Einkommensbesteuerung die "Vermeidbarkeit" ihrer Kinder entgegenzuhalten. Erwerbsbedingt notwendige Kinderbetreuungskosten müssen daher zumindest als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein.
Der Gesetzgeber ist allerdings berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen und damit zu bestimmen, wieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind. Diese durch die Verfassung vorgegebenen Grundsätze finden aber - entgegen der Auffassung der Kläger - nur auf die Eltern der Kinder, nicht aber auf die Großeltern Anwendung. Denn die Eltern und nicht die Großeltern haben nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge).