Sperrwirkung des DBA-Großbritannien 1964 gegenüber Einkünftekorrektur bei Teilwertabschreibung eines unbesichert begebenen Darlehens im Konzern
BFH 24.6.2015, I R 29/14Die klagende GmbH betrieb im Streitjahr 2002 einen Handel mit Waren über das Internet. Ihre alleinige Gesellschafterin war die in Kanada ansässige X. Im April 2000 hatte die Klägerin mit einer in Großbritannien ansässigen Tochtergesellschaft, der 2000 gegründeten und - nach einer Kapitalerhöhung - mit einem Nennkapital von 50.000 £ ausgestatteten J-Ltd., einen Darlehensvertrag geschlossen, nach welchem die Klägerin der Darlehensnehmerin über verschiedene Transferzahlungen Kapital zur Verfügung stellen sollte. Eine konkrete Darlehenssumme wurde nicht vereinbart. Vereinbart wurde eine jährliche Verzinsung mit 5 Prozent, nicht jedoch die Gestellung von Sicherheiten.
Der Geschäftsbetrieb der J-Ltd. wurde wegen der schlechten Geschäftsentwicklung Ende Oktober 2002 eingestellt. Ihr Verlust betrug gem. ihrer Gewinnermittlung zum 31.12.2000 rd. 400.000 £ und zum 31.10.2001 rd. 174.000 £; zum 31.10.2002 wies sie einen Gewinn i.H.v. rd. 77.000 £ aus. Die J Ltd. wurde im Jahr 2004 liquidiert. In ihrer Gewinnermittlung auf den 31.10.2002 nahm die Klägerin eine Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 i.V.m. Nr. 1 S. 3 EStG 2002 auf die Rückzahlungsforderung gegenüber der J-Ltd. i.H.v. rd. 720.000 € vor.
Das Finanzamt unterwarf die Wertberichtigung der Forderungen aus dem Darlehen, das er als eigenkapitalersetzend ansah, dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG 2002 a.F. und rechnete sie danach dem Gewinn wieder hinzu. Folge man dem nicht, so komme wegen der fehlenden Darlehensbesicherung jedenfalls eine Gewinnkorrektur gem. § 1 AStG a.F. in Betracht. Unabhängig davon seien die unbesichert begebenen Darlehen von Anfang an nicht ernsthaft beabsichtigt gewesen und deshalb als Einlagen anzusehen. Überhaupt sei die sog. Teilwertabschreibung wegen des sog. Rückhalts im Konzern nicht gerechtfertigt.
Das FG wies die gegen den hiernach geänderten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer gerichtete Klage ab. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin hat zum 31.10. des Streitjahres Rückzahlungsforderungen gegen die J-Ltd. aus den an diese begebenen Darlehen aktiviert und auf diese Forderungen sodann zugleich Teilwertabschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 i.V.m. Nr. 1 S. 3 EStG 2002, hier i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002, vorgenommen. Das FG hat das als richtig angesehen: Dieser tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung hat das Finanzamt nichts Substanzielles entgegengestellt. Das FG ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert nicht an der Konzernbeziehung zwischen Klägerin und J-Ltd. scheitert. Die Konzernbeziehung erlaube nur den Zugriff auf etwaige Vermögenswerte der Tochtergesellschaft. Fehle es an solchen Vermögenswerten, ändere die Konzernbeziehung an der Teilwertabschreibung nichts.
Zwar kann ein sog. Konzernrückhalt zur Folge haben, dass die Obergesellschaft für den etwaigen Ausfall der Darlehenssumme "geradesteht". Und gerade deswegen wird eine Besicherung im Konzernzusammenhang nicht zwingend und unter allen Umständen einzufordern sein. Bei Darlehensgewährungen zwischen Kapitalgesellschaften in einem Konzern kann es hiernach fremdvergleichsgerecht sein, von Sicherheiten abzusehen, wenn die Konzernbeziehungen für sich gesehen eine Sicherheit bedeuten. Ob der Rückhalt im Besicherungsfall aber tatsächlich und uneingeschränkt greift, ist damit noch nicht ausgemacht. Dass die Muttergesellschaft im Außenverhältnis regelmäßig für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten einsteht, lässt keinen zwingenden Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft zu. Und so gesehen beeinflusst der Konzernrückhalt die handels- wie steuerrechtlich gebotene sog. Teilwertabschreibung einer konzerninternen Darlehensforderung prinzipiell und auch unter den vom FG festgestellten Gegebenheiten des Streitfalls nicht.
Vor diesem Hintergrund streiten die Beteiligten auch darüber, ob die durch die Teilwertabschreibung bedingte Gewinnminderung außerbilanziell zu neutralisieren ist. Der ursprünglich verfochtene Ansatz zu einer derartigen Korrektur über § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. wird vom Finanzamt zwischenzeitlich nicht weiterverfolgt. Dem ist beizupflichten; der Senat verweist dazu auf sein Urteil vom 14.1.2009 (I R 52/08), dem sich der X. Senat im Urteil vom 18.4.2012 (X R 5/10) für die in diesem Punkt parallele Regelungslage nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG 2002 angeschlossen hat. Anders liegt es insoweit jedoch, was die Vorschrift des § 1 Abs. 1 AStG a.F. anbelangt. Eine darauf gestützte außerbilanzielle Korrektur hält das Finanzamt nach wie vor für möglich und geboten. Das FG hat aber auch das zutreffend verneint.
Nicht anders als bereits in seinem Urteil vom 17.12.2014 (I R 23/13) gibt der Senat auch der hiesigen Klägerin, was die Frage der unterbliebenen Besicherung anbelangt, jedenfalls im Ausgangspunkt aus einem anderen Grunde Recht. Selbst wenn alle Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfüllt wären, müsste eine Einkünftekorrektur wegen einer fehlenden Darlehensbesicherung hiernach nämlich ausscheiden, weil sie sich nicht mit der im Streitfall einschlägigen Abkommenslage nach Maßgabe von Art. IV DBA-Großbritannien 1964 und mit dem darin bestimmten Fremdvergleichsmaßstab vertrüge. Ausschlaggebend für eine Korrektur ist bei einer Darlehensbegebung erneut allein der vereinbarte Zinssatz, der seinerseits einem Fremdvergleich standhalten muss und dafür im Falle der fehlenden Besicherung - aufgrund des Konzernrückhalts und ggf. nach den Umständen des Einzelfalls und der dadurch ausgelösten Besicherungsintensität auch im Rahmen einer konzerninternen Finanzierung - um einen angemessenen Risikozuschlag zu erhöhen ist.
In Anbetracht dessen kommt es lediglich darauf an, ob der zwischen der Klägerin und der J-Ltd. vereinbarte Darlehenszins auch unter Berücksichtigung der fehlenden tatsächlichen Besicherung seiner Höhe nach angemessen war und einem Fremdvergleich standhielt. Davon ist das FG ersichtlich ausgegangen und dem hat sich das Finanzamt nicht mit belastbaren Erwägungen widersetzt. Da das FG in ebenfalls nicht angreifbarer Weise zudem ausgeschlossen hat, dass es sich bei den Darlehensbegebungen um (verdeckte) Einlagen handelt, bedurfte es keiner weiteren Sachaufklärung mehr.
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