13.01.2012

Steuerabzugsverfahren bei ausländischen Künstlern ist europarechtskonform

Die deutsche Finanzverwaltung muss sich nicht darauf verweisen lassen, ihre Steuerforderung im Wege der zwischenstaatlichen Amtshilfe nach der EG-Beitreibungsrichtlinie zu realisieren. Sie kann den Betreiber einer Diskothek, der ausländische Künstler engagiert und den Steuerabzug nicht vorgenommen hat, gem. § 50a Abs. 5 S. 5 EStG in Haftung nehmen.

FG Düsseldorf 3.8.2011, 11 K 1171/09 H
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Diskothek, in der verschiedene - auch ausländische - Künstler auftreten. Von den ausländischen Künstlern legte in den Streitjahren 2004 bis 2006 niemand eine Freistellungsbescheinigung i.S.v. § 50d Abs. 2 EStG a.F. vor. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung im Jahr 2007 stellte das Finanzamt fest, dass der Kläger für die Jahre 2004 und 2006 keine Abzugssteuer angemeldet hatte. Zudem war der Kläger bei der Anmeldung für das Jahr 2005 von dem für die vereinbarten Netto-Vergütungen (Übernahme des Steuerabzugs durch den Vergütungsschuldner) geltenden Steuersatz abgewichen. Infolgedessen nahm die Behörde den Kläger mit Haftungsbescheiden auf Grundlage von § 50a Abs. 5 S. 5 EStG a.F. i.V.m. § 73g EStDV in Anspruch.

Der Kläger war der Ansicht, das Steuerabzugsverfahren und die Haftung verstießen gegen das Gemeinschaftsrecht. Der Staat, der eine Steuerforderung gegen einen Ausländer habe, müsse diese unter Zuhilfenahme des Ansässigkeitsstaats des Ausländers geltend machen. Infolgedessen sei die Haftungsinanspruchnahme unverhältnismäßig, da es an der Erforderlichkeit fehle.

Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache bzw. zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach Maßgabe des § 50a Abs. 5 S. 5 EStG a.F. lagen vor.

Der Senat teilte die Bedenken des Klägers gegen die Europarechtskonformität der Abzugssteuer nach § 50a EStG a.F. nicht. Soweit die Empfänger der entsprechenden Vergütungen nicht Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats waren und dort ansässig sind, kamen europarechtliche Bedenken per se nicht zum Zuge. Hinsichtlich der Künstler aus EU-Staaten stellt das Steuerabzugsverfahren und die seiner Durchsetzung dienende Haftungsregelung ein legitimes und geeignetes Mittel dar, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen und um zu verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung unversteuert blieben.

Das Abzugsverfahren ist effizient und jedenfalls dann noch verhältnismäßig, wenn der Steuerabzug auf Nettobasis unter Berücksichtigung derjenigen dem Vergütungsschuldner mitgeteilten Aufwendungen erfolgt, welche mit der erbrachten Leistung wirtschaftlich unmittelbar zusammenhängen, und wenn darüber hinaus die nachträgliche Erstattungsmöglichkeit ebenso wie die vorherige Freistellungsmöglichkeit nicht von weiteren qualitativen und quantitativen Hürden abhängen. Außerdem sind die Alternativen zum Steuerabzugsverfahren (Meldepflicht des Vergütungsschuldners und Steuererklärungspflicht des Vergütungsempfängers) für den steuerehrlichen Vergütungsempfänger im Ergebnis nicht weniger belastend. Schließlich ergibt sich aus dem Kultur- und Bildungsauftrag der EG nach Art. 151 EG (Art. 167 AEUV) kein Anspruch auf Anwendung eines bestimmten Besteuerungsverfahrens oder eine steuerliche Privilegierung gegenüber inländischen Künstlern.

Die deutsche Finanzverwaltung muss sich nicht darauf verweisen lassen, ihre Steuerforderung im Wege der zwischenstaatlichen Amtshilfe nach der EG-Beitreibungsrichtlinie zu realisieren. Infolgedessen konnte das Finanzamt im vorliegenden Fall den Kläger, der den Steuerabzug nicht vorgenommen hatte - ungeachtet bestehender DBA - in Haftung nehmen.

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FG Düsseldorf PM v. 10.1.2012
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