05.08.2019

Steuerbarkeit von Erträgen aus argentinischen Staatsanleihen als Einkünfte aus Kapitalvermögen

Sog. BIP-gebundene Wertpapiere, die von gegen Argentinien-Anleihen eingetauschten festverzinslichen Schuldverschreibungen nach den Emissionsbedingungen automatisch abgekoppelt worden und mit einer eigenen Wertpapierkennnummer eigenständig handelbar sind, bei denen die Rückzahlung des Nennkapitals ausgeschlossen ist und die Zahlung eines Entgelts von der Entwicklung des argentinischen Bruttoinlandsprodukts sowie anderen variablen Größen abhängig ist, sind keine Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung. Es handelt sich um Kapitalanlagen mit ausschließlich spekulativem Charakter (sog. Vollrisikopapiere).

BFH v. 28.5.2019 - VIII R 7/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte ursprünglich in festverzinsliche Argentinien-Anleihen investiert. Er hielt im Streitjahr 2011 in seinem Depot BIP-gebundene Wertpapiere mit einem Nennbetrag i.H.v. 3 Mio. $. In Höhe eines Nennbetrags von 2.089.575 $ handelte es sich um BIP-gebundene Wertpapiere, die von den im Jahr 2005 getauschten und noch in seinem Depot befindlichen Discounts abgekoppelt worden waren. Zudem hatte der Kläger im Jahr 2006 BIP-gebundene Wertpapiere, die einen Nennbetrag i.H.v. 361.721 $ auswiesen, und am 5.1.2009 weitere BIP-gebundene Wertpapiere zu einem Nennbetrag i.H.v. 548.704 $ (jeweils ohne die zugrunde liegenden Anleihen, von denen diese abgetrennt worden waren) erworben.

Die depotführende Bank bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 133.416 €. Hiervon entfiel ein Betrag i.H.v. 101.001 € auf die BIP-gebundenen Wertpapiere. Der Kläger beantragte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für die Kapitalerträge aus den BIP-gebundenen Wertpapieren die Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG. Er war der Ansicht, die Kapitalerträge aus den BIP-gebundenen Wertpapieren seien i.H.v. 82.528 € nicht steuerbar, da es sich insoweit um sog. Vollrisikopapiere handele, die er vor dem 15.3.2007 erworben habe.

Das Finanzamt berücksichtigte hingegen die auf die BIP-gebundenen Wertpapiere im Streitjahr empfangenen Zahlungen in vollem Umfang gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steuerpflichtige Kapitalerträge. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte diese Entscheidung.

Gründe:
Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Kapitalerträge des Klägers aus den BIP-gebundenen Wertpapieren i.H.v. 82.528 € nicht der Besteuerung unterliegen. Es hat die BIP-gebundenen Wertpapiere zu Recht als eigenständige Kapitalanlagen beurteilt. Zudem hat es zutreffend eine Steuerpflicht der streitigen Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG verneint. Ferner hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitigen Kapitalerträge im Streitjahr 2011 im Ergebnis auch nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steuerpflichtig sind. Diese Regelung ist nämlich gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG nicht auf die streitigen Kapitalerträge anzuwenden, da die zugrunde liegenden BIP-gebundenen Wertpapiere vom Kläger vor dem 15.3.2007 erworben wurden.

Dies folgt aus den maßgeblichen Anwendungsbestimmungen in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG. Gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erstmals auf laufende Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31.12.2008 zufließen. Dies gilt nach der in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG enthaltenen Rückausnahme aber nur "vorbehaltlich der Regelungen in Absatz 10 Satz 6 bis 8". § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG hat folgenden Wortlaut: "Bei Kapitalforderungen, die zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Absatz 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, aber die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 14. 8. 2007 (BGBl 2007 I, 1912) [= § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.] erfüllen, ist § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Absatz 1 Nr. 7 vorbehaltlich der [im Streitfall offensichtlich nicht einschlägigen] Regelung in Absatz 11 Satz 4 und 6 auf alle nach dem 30.6.2009 zufließenden Kapitalerträge anzuwenden, es sei denn, die Kapitalforderung wurde vor dem 15.3.2007 angeschafft." Die Voraussetzungen dieser Rückausnahme lagen im Streitfall vor.

Bei den BIP-gebundenen Wertpapieren handelte es sich damit nicht um sonstige Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, sondern um eine Kapitalanlage mit spekulativem Charakter. Aus dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG ist ferner abzuleiten, dass die Norm für Kapitalforderungen, welche die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung nicht erfüllen ("Vollrisikopapiere alten Rechts"), eine zeitliche Anwendungsbestimmung sowohl für Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) als auch für laufende Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) enthält, wenn die Kapitalerträge nach dem 30.6.2009 zufließen.

§ 52a Abs. 10 Satz 8 Halbsatz 1 EStG gilt nach seinem Wortlaut für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen gem. "§ 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 i.V.m. § 20 Absatz 1 Nummer 7". Da die Regelung sowohl die Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F.) als auch die Rechtsgrundlage für die Besteuerung laufender Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.) zitiert und generell auf "zufließende Kapitalerträge" abstellt, enthält die Vorschrift aufgrund des Verweises in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG auf § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG eine zeitliche Anwendungsbestimmung auch für laufende Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Der Vorbehalt in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist so zu verstehen, dass für laufende Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 geltenden Fassung nicht erfüllen, die allgemeine Anwendungsregel gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG nicht gilt.

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