Steuerbefreiung berufsständischer Versorgungseinrichtungen gilt auch für gewerbliche Einkünfte
BFH 9.2.2011, I R 47/09Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und unterhält ein Versorgungswerk. Dieses übernimmt die "ertragbringende und sichere" Vermögensanlage der von den Mitgliedern zum Zwecke der Altersvorsorge geleisteten Beträge. Im Rahmen dieser Vermögensanlage hat das Versorgungswerk auch in gewerbliche Personengesellschaften und in ein verpachtetes Pflegeheim investiert.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die gewerbliche Verpachtung sowie die mitunternehmerischen Beteiligungen an Personengesellschaften nicht unter die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und des § 3 Nr. 11 GewStG fielen, sondern jeweils eigenständige Betriebe gewerblicher Art (BgA) seien. Infolgedessen führte es für die Streitjahre 1998 bis 2004 hinsichtlich jedes BgA Körperschaft- und Gewerbesteuerveranlagungen durch.
Die Klägerin wandte sich hiergegen mit der Begründung, sie sei umfassend von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG sei nicht zu entnehmen, dass sich die Steuerfreiheit nur auf bestimmte Tätigkeitsbereiche beschränke. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin hatte mit der Verpachtung des Pflegeheims und den mitunternehmerischen Beteiligungen keine eigenständigen ertragsteuerpflichtigen BgA unterhalten. Diese Tätigkeiten fallen vielmehr unter die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und des § 3 Nr. 11 GewStG.
Zweck der Steuerbefreiungen ist es, die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, den bei ihnen Pflichtversicherten eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Aufgabe des Versorgungswerks der Klägerin ist es, den Kammerangehörigen und deren Familienangehörigen eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Da die Leistungen vornehmlich im Kapitaldeckungsverfahren erbracht werden, hat es zur Verwirklichung dieser Aufgabe die Mitgliederbeiträge rentierlich anzulegen. Somit dürfen berufsständische Versorgungseinrichtungen nach den einschlägigen Landesgesetzen auch in bestimmte gewerbliche Anlagen investieren.
Dem stand nicht entgegen, dass entsprechende mitunternehmerische Anlagen bei den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern möglicherweise als BgA zu beurteilen und zu besteuern wären. Die Gleichbehandlung mit den Sozialversicherungsträgern war zwar das Motiv für die Steuerfreistellung der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen. Dieses Ziel hat aber im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden und kann daher auch nicht zu einer Einschränkung der nach dem Gesetzeswortlaut umfassenden Steuerfreistellung führen.
Da es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflichtversicherungseinrichtung handelt, die nur gegenüber den bei ihr Pflichtversicherten Leistungen erbringen darf, ist die Steuerbefreiung auch nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (Art. 107 Abs. 1 AEUV). Angesichts dessen, dass Versorgungswerke nur zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags tätig sein dürfen und nur solche Geschäfte betreiben dürfen, die hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, gilt dies unabhängig davon, wie die Versorgungseinrichtung ihr Vermögen anlegt. Es handelt sich insoweit um eine Annextätigkeit im Rahmen der Steuerbefreiung.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.