Steuerbegünstigung für ein Familienheim bei Zuerwerb
Kurzbesprechung
BFH v. 6.5.2021 - II R 46/19
BewG § 181 Abs 1 Nr. 1, § 181 Abs 1 Nr. 2, § 181 Abs 1 Nr. 3, § 181 Abs 1 Nr. 4, § 181 Abs 1 Nr. 5
ErbStG § 13 Abs 1 Nr. 4c
Der Steuerpflichtige ist Alleinerbe seines verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlass gehörte eine von V bis zu seinem Tod selbst genutzte Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 1). Der Steuerpflichtige bewohnt eine hieran direkt angrenzende Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 2).
Nach dem Abschluss von Renovierungs- und Sanierungsarbeiten nutzt der Steuerpflichtige seit August 2016 die --nunmehr zu einer Wohnung verbundenen-- Doppelhaushälften 1 und 2 selbst.
Das FA lehnte nach dem Tod von V den Antrag des Steuerpflichtigen auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb der Doppelhaushälfte 1 ab. Auch das Klageverfahren blieb für den Steuerpflichtigen erfolglos. Der BFH hob jedoch die Entscheidung des FG im Revisionsverfahren auf.
Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kann auch den Erwerb einer auf einem bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 BewG gelegenen Wohnung umfassen, wenn diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und nach dem Erwerb beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 qm beträgt, ist nicht ausschlaggebend. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG, der allein auf die Größe des erworbenen Familienheims abstellt.
Die (hinzuerworbene) Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein (Familienheim). Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Der Erwerber muss die Wohnung "unverzüglich", d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen.
Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Erwerber in der Regel prüfen, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornehmen und den Umzug durchführen will.
Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
Es obliegt dem Erwerber, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.
Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Der Erwerber trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Im Streitfall war das FG von anderen Maßstäben ausgegangen. Nach seiner Auffassung wäre ein Steuerpflichtiger nur dann berechtigt, die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Anspruch zu nehmen, wenn er bestimmte, beschleunigende und möglicherweise kostenintensivere Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreift. Diesen Maßstab hält der BFH jedoch für zu streng. Der BFH hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Sollte danach die erworbene Doppelhaushälfte 1 dem Grunde nach steuerbegünstigt sein, wird auch zu klären sein, welche Wohnfläche sie aufwies. Sollte sie 200 qm überstiegen haben, wäre die Begünstigung verhältnismäßig zu kürzen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
BewG § 181 Abs 1 Nr. 1, § 181 Abs 1 Nr. 2, § 181 Abs 1 Nr. 3, § 181 Abs 1 Nr. 4, § 181 Abs 1 Nr. 5
ErbStG § 13 Abs 1 Nr. 4c
Der Steuerpflichtige ist Alleinerbe seines verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlass gehörte eine von V bis zu seinem Tod selbst genutzte Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 1). Der Steuerpflichtige bewohnt eine hieran direkt angrenzende Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 2).
Nach dem Abschluss von Renovierungs- und Sanierungsarbeiten nutzt der Steuerpflichtige seit August 2016 die --nunmehr zu einer Wohnung verbundenen-- Doppelhaushälften 1 und 2 selbst.
Das FA lehnte nach dem Tod von V den Antrag des Steuerpflichtigen auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb der Doppelhaushälfte 1 ab. Auch das Klageverfahren blieb für den Steuerpflichtigen erfolglos. Der BFH hob jedoch die Entscheidung des FG im Revisionsverfahren auf.
Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kann auch den Erwerb einer auf einem bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 BewG gelegenen Wohnung umfassen, wenn diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und nach dem Erwerb beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 qm beträgt, ist nicht ausschlaggebend. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG, der allein auf die Größe des erworbenen Familienheims abstellt.
Die (hinzuerworbene) Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein (Familienheim). Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Der Erwerber muss die Wohnung "unverzüglich", d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen.
Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Erwerber in der Regel prüfen, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornehmen und den Umzug durchführen will.
Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
Es obliegt dem Erwerber, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.
Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Der Erwerber trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
Im Streitfall war das FG von anderen Maßstäben ausgegangen. Nach seiner Auffassung wäre ein Steuerpflichtiger nur dann berechtigt, die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Anspruch zu nehmen, wenn er bestimmte, beschleunigende und möglicherweise kostenintensivere Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreift. Diesen Maßstab hält der BFH jedoch für zu streng. Der BFH hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Sollte danach die erworbene Doppelhaushälfte 1 dem Grunde nach steuerbegünstigt sein, wird auch zu klären sein, welche Wohnfläche sie aufwies. Sollte sie 200 qm überstiegen haben, wäre die Begünstigung verhältnismäßig zu kürzen.