Steuerermäßigung für die Lieferung von Kunstgegenständen durch den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG)
Kurzbesprechung
BFH v. 18.10.2023 - XI R 15/20
UStG § 12 Abs 2 Nr. 13
EGRL 112/2006 Art 103 Abs 2
UrhG § 7, § 8 Abs 1, § 28 Abs 1, § 29 Abs 1
EGRL 112/2006 Art 98a
Die Steuerpflichtige ist eine GbR, die im Jahr 2014 von dem Künstler U und der Galerie G zu gleichen Kapitalanteilen gegründet wurde. Gesellschaftszweck der Steuerpflichtigen ist die Herstellung und die Vermarktung einschließlich der Veräußerung von bis zu drei Skulptureninstallationen unter der Bezeichnung S sowie die Herstellung und Vermarktung von bis zu vier weiteren einzelnen Stelen, die nach den künstlerischen Vorgaben von U im Auftrag der Steuerpflichtigen erstellt werden. Sie ist berechtigt, alle den Gesellschaftszweck fördernden und damit in Zusammenhang stehenden Geschäfte durchzuführen und hierfür auch Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im In- und Ausland zu errichten. Vertreten wird die Klägerin durch G als Geschäftsführerin.
U räumte der Steuerpflichtigen das ausschließliche Recht ein, Skulptureninstallationen in einer Kleinserie von bis zu drei Exemplaren herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten und sonst wie zu verwerten; U stand das Recht zu, eine vierte Skulptureninstallation als Künstlerexemplar auf eigene Kosten herstellen zu lassen und zu vermarkten. Zu weiteren Vervielfältigungen sind weder die Steuerpflichtige noch U oder G berechtigt. Ferner räumte U der Steuerpflichtigen das ausschließliche Recht ein, zusätzlich zu den Skulptureninstallationen bis zu vier Solo-Stelen herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten oder sonst wie zu verwerten. Entsprechend diesen Vereinbarungen gab die Steuerpflichtige die Herstellung der Skulptureninstallationen bei einem Dritten in Auftrag.
In 2014 schlossen die Steuerpflichtige und U mit einem Käufer (K) einen Kauf- und Übereignungsvertrag über den Erwerb von zwei Skulptureninstallationen der Serie S. Die erste Skulptureninstallation war bis zum 23.11.2014 ausgestellt, die Herstellung der zweiten Skulptureninstallation sollte mit Zahlung der ersten von drei Kaufpreisraten beginnen und spätestens nach sechs Monaten abgeschlossen sein.
Die Steuerpflichtige nahm an, dass die im Jahr 2015 (Streitjahr) erfolgte Lieferung der zweiten Installation dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Dagegen besteuerte das FA die Lieferung mit dem normalen Steuersatz. Die eingelegte Klage blieb ebenso erfolglos wie die nachfolgend eingelegte Revision.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nr. 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a) vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b) von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG) ist, und die Gegenstände
aa) vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb) von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc) den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Die Liste der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG umfasst unter Nr. 53 Kunstgegenstände, und zwar unter Buchst. c Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art (Position 9703 00 00).
Auch wenn es sich bei der streitgegenständlichen Skulptureninstallation um einen dem Grunde nach begünstigten Kunstgegenstand im Sinne von Nr. 53 Buchst. c der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG handelt, hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Lieferung nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt wurde. Denn die Steuerpflichtige ist weder Urheber noch Rechtsnachfolger des Urhebers des gelieferten Gegenstandes.
Sowohl § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG als auch Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. verwenden die Begriffe "Urheber" und "dessen Rechtsnachfolger", ohne diese zu bestimmen. Wer als Urheber oder Rechtsnachfolger anzusehen ist, bestimmt sich im innerstaatlichen Recht nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetze.
Den Urheber definiert § 7 UrhG als den Schöpfer des Werkes. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG insbesondere Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke. Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer "künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann.
Das Urheberrecht ist gemäß § 28 Abs. 1 UrhG vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen. Wenn § 7 UrhG den Urheber als den Schöpfer des Werkes definiert und es sich bei den geschützten Werken im Sinne des § 2 UrhG nur um persönliche geistige Schöpfungen des Urhebers handeln kann (§ 2 Abs. 2 UrhG), entspricht dies dem Unionsrecht, da "Werk" im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG nur sein kann, was eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber einem anderen zwar das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Urheberrecht selbst ist jedoch nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar. Dies steht in Einklang mit den Regelungen der Richtlinie 2001/84/EG über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks als unveräußerliches Recht.
Nichts anderes kann für die Auslegung des Begriffs "dessen Rechtsnachfolger" in § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. gelten; die Steuerpflichtige ist nicht Rechtsnachfolgerin des U. Rechtsnachfolger im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. ist der Gesamtrechtsnachfolger Auch dies ergibt sich daraus, dass nach § 28 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar ist.
Mangels Übertragbarkeit des Urheberrechts kann es sich bei dem Rechtsnachfolger des Urhebers ("seine Rechtsnachfolger") nur um den Gesamtrechtsnachfolger handeln. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, den in § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. verwendeten Begriff "dessen Rechtsnachfolger" hiervon abweichend zu interpretieren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 12 Abs 2 Nr. 13
EGRL 112/2006 Art 103 Abs 2
UrhG § 7, § 8 Abs 1, § 28 Abs 1, § 29 Abs 1
EGRL 112/2006 Art 98a
Die Steuerpflichtige ist eine GbR, die im Jahr 2014 von dem Künstler U und der Galerie G zu gleichen Kapitalanteilen gegründet wurde. Gesellschaftszweck der Steuerpflichtigen ist die Herstellung und die Vermarktung einschließlich der Veräußerung von bis zu drei Skulptureninstallationen unter der Bezeichnung S sowie die Herstellung und Vermarktung von bis zu vier weiteren einzelnen Stelen, die nach den künstlerischen Vorgaben von U im Auftrag der Steuerpflichtigen erstellt werden. Sie ist berechtigt, alle den Gesellschaftszweck fördernden und damit in Zusammenhang stehenden Geschäfte durchzuführen und hierfür auch Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im In- und Ausland zu errichten. Vertreten wird die Klägerin durch G als Geschäftsführerin.
U räumte der Steuerpflichtigen das ausschließliche Recht ein, Skulptureninstallationen in einer Kleinserie von bis zu drei Exemplaren herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten und sonst wie zu verwerten; U stand das Recht zu, eine vierte Skulptureninstallation als Künstlerexemplar auf eigene Kosten herstellen zu lassen und zu vermarkten. Zu weiteren Vervielfältigungen sind weder die Steuerpflichtige noch U oder G berechtigt. Ferner räumte U der Steuerpflichtigen das ausschließliche Recht ein, zusätzlich zu den Skulptureninstallationen bis zu vier Solo-Stelen herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten oder sonst wie zu verwerten. Entsprechend diesen Vereinbarungen gab die Steuerpflichtige die Herstellung der Skulptureninstallationen bei einem Dritten in Auftrag.
In 2014 schlossen die Steuerpflichtige und U mit einem Käufer (K) einen Kauf- und Übereignungsvertrag über den Erwerb von zwei Skulptureninstallationen der Serie S. Die erste Skulptureninstallation war bis zum 23.11.2014 ausgestellt, die Herstellung der zweiten Skulptureninstallation sollte mit Zahlung der ersten von drei Kaufpreisraten beginnen und spätestens nach sechs Monaten abgeschlossen sein.
Die Steuerpflichtige nahm an, dass die im Jahr 2015 (Streitjahr) erfolgte Lieferung der zweiten Installation dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Dagegen besteuerte das FA die Lieferung mit dem normalen Steuersatz. Die eingelegte Klage blieb ebenso erfolglos wie die nachfolgend eingelegte Revision.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nr. 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a) vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b) von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG) ist, und die Gegenstände
aa) vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb) von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc) den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Die Liste der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG umfasst unter Nr. 53 Kunstgegenstände, und zwar unter Buchst. c Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art (Position 9703 00 00).
Auch wenn es sich bei der streitgegenständlichen Skulptureninstallation um einen dem Grunde nach begünstigten Kunstgegenstand im Sinne von Nr. 53 Buchst. c der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG handelt, hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Lieferung nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt wurde. Denn die Steuerpflichtige ist weder Urheber noch Rechtsnachfolger des Urhebers des gelieferten Gegenstandes.
Sowohl § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG als auch Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. verwenden die Begriffe "Urheber" und "dessen Rechtsnachfolger", ohne diese zu bestimmen. Wer als Urheber oder Rechtsnachfolger anzusehen ist, bestimmt sich im innerstaatlichen Recht nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetze.
Den Urheber definiert § 7 UrhG als den Schöpfer des Werkes. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG insbesondere Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke. Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer "künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann.
Das Urheberrecht ist gemäß § 28 Abs. 1 UrhG vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen. Wenn § 7 UrhG den Urheber als den Schöpfer des Werkes definiert und es sich bei den geschützten Werken im Sinne des § 2 UrhG nur um persönliche geistige Schöpfungen des Urhebers handeln kann (§ 2 Abs. 2 UrhG), entspricht dies dem Unionsrecht, da "Werk" im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG nur sein kann, was eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber einem anderen zwar das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Urheberrecht selbst ist jedoch nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar. Dies steht in Einklang mit den Regelungen der Richtlinie 2001/84/EG über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks als unveräußerliches Recht.
Nichts anderes kann für die Auslegung des Begriffs "dessen Rechtsnachfolger" in § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. gelten; die Steuerpflichtige ist nicht Rechtsnachfolgerin des U. Rechtsnachfolger im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. ist der Gesamtrechtsnachfolger Auch dies ergibt sich daraus, dass nach § 28 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar ist.
Mangels Übertragbarkeit des Urheberrechts kann es sich bei dem Rechtsnachfolger des Urhebers ("seine Rechtsnachfolger") nur um den Gesamtrechtsnachfolger handeln. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, den in § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. verwendeten Begriff "dessen Rechtsnachfolger" hiervon abweichend zu interpretieren.