16.02.2023

Steuerfreiheit der Vorteile des Arbeitnehmers aus der Nutzung eines betrieblichen Telekommunikationsgeräts

Die Erstattung von Telefonkosten für einen vom Arbeitnehmer abgeschlossenen Mobilfunkvertrag durch den Arbeitgeber ist auch dann nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei, wenn der Arbeitgeber das Mobiltelefon, durch dessen Nutzung die Telefonkosten entstanden sind, von dem Arbeitnehmer zu einem niedrigen, auch unter dem Marktwert liegenden Preis erworben hat und er das Mobiltelefon dem Arbeitnehmer unmittelbar danach wieder zur privaten Nutzung überlässt.

Kurzbesprechung
BFH v. 23. 11. 2022 - VI R 50/20

EStG § 3 Nr. 45 S 1, § 19 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 42d Abs 1 Nr. 1
BGB § 117, § 929 S 1, § 930
AO § 41 Abs 2, § 42 Abs 1 S 1, § 42 Abs 2 S 1


Die unentgeltliche Zurverfügungstellung betrieblicher Mobiltelefone einschließlich der dazugehörenden Netzteile durch die Steuerpflichtige an ihre Arbeitnehmer (auch) für private Zwecke und die Übernahme auf private Gespräche (anteilig) entfallender Grundgebühren und Verbindungsentgelte stellen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare (geldwerte) Vorteile dar. Die Arbeitnehmer werden durch die Überlassung der Mobiltelefone nebst der zugehörigen Netzteile (auch) für private Zwecke sowie durch das unentgeltliche Führen privater Telefongespräche objektiv bereichert. Sie ersparen das Geld, das sie sonst für ein privates Mobiltelefon und dessen Nutzung aufwenden müssten, um mit dem Gerät private Telefongespräche zu führen.

Die (geldwerten) Vorteile, die die Steuerpflichtige im Streitfall ihren Arbeitnehmern zugewandt hatte, waren jedoch gemäß § 3 Nr. 45 Satz 1 EStG steuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräten sowie deren Zubehör, aus zur privaten Nutzung überlassenen System- und Anwendungsprogrammen, die der Arbeitgeber auch in seinem Betrieb einsetzt, und aus den im Zusammenhang mit diesen Zuwendungen erbrachten Dienstleistungen.

Die im Streitfall zur Verfügung gestellten Mobiltelefone und Netzteile stellten auch betriebliche Geräte der Steuerpflichtigen dar. Ein Telekommunikationsgerät ist ein betriebliches im Sinne der Steuerbefreiungsvorschrift, wenn es im zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum des Arbeitgebers steht oder es sich um ein dem Arbeitgeber aufgrund eines Nutzungsvertrags mit einem Dritten, insbesondere eines Leasingvertrags, zuzurechnendes Gerät handelt. Ein betriebliches Telekommunikationsgerät nebst Zubehör i.S. des § 3 Nr. 45 Satz 1 EStG liegt hingegen nicht vor, wenn das Gerät nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist.

Im Streitfall war die Steuerpflichtige als Arbeitgeberin zivilrechtliche Eigentümerin der Geräte. Sie hatte die Mobiltelefone von ihren Arbeitnehmern aufgrund zivilrechtlich wirksamer Kaufverträge zu Preisen zwischen 1 € und 6 € erworben und das Eigentum an den Geräten durch Einigung und Übergabe erlangt. Die Arbeitnehmer waren nach dem Verlust ihres zivilrechtlichen Eigentums auch weder wirtschaftliche Eigentümer der Geräte noch konnten sie als Leasingnehmer oder aufgrund einer sonstigen, neben dem Arbeitsverhältnis bestehenden Sonderrechtsbeziehung über die Mobiltelefone verfügen.

Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO, § 117 BGB) gehandelt haben könnte, lagen im Streitfall nicht vor. Den zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Kaufverträgen über die Mobiltelefone war die steuerliche Anerkennung auch nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu versagen. Denn zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Arbeitnehmern bestand bei Abschluss der Verträge ein natürlicher Interessengegensatz.

Allein aufgrund der (geringen) Höhe der vereinbarten Kaufpreise für die Mobiltelefone kann nach Auffassung des BFH ‑ entgegen der ab 2018 im Amtlichen Lohnsteuer-Handbuch , H 3.45, Beispiele für die Anwendung des § 3 Nr. 45 EStG: Beispiel 2 vertretenen Auffassung ‑ nicht angenommen werden, dass die Kaufverträge einem Fremdvergleich zu unterziehen seien bzw. einem solchen nicht standhalten würden. Denn die vereinbarten Kaufpreise als solche indizieren noch kein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen bestimmendes Näheverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Arbeitnehmern. Zudem können die (geringen) Kaufpreise nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind in dem wirtschaftlichen Zusammenhang zu würdigen, in den sie durch die "Ergänzende Vereinbarung zum Arbeitsvertrag Handykosten" und den von der Steuerpflichtigen mit der Mehrzahl der Arbeitnehmer abgeschlossenen "Mobiltelefon-Überlassungsvertrag" gestellt wurden. Soweit die Arbeitnehmer angesichts der Vorteile, die ihnen die Vereinbarungen insbesondere durch die Übernahme ihrer privaten Telefonkosten brachten, bereit waren, ihre Mobiltelefone an die Steuerpflichtige ‑ möglicherweise auch unter Marktwert ‑ zu verkaufen, ist dieser vertraglichen Regelung die steuerliche Anerkennung nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu versagen.

Die Verkäufe der Mobiltelefone zu Kaufpreisen zwischen 1 € und 6 € stellten auch keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO dar. Denn die Kaufverträge und die darauf beruhende Übereignung der Geräte an die Steuerpflichtige sind vielmehr die wirtschaftlich angemessene, einfache und zweckmäßige Möglichkeit, der Steuerpflichtigen betriebliche Mobiltelefone zu verschaffen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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