Steuerfreiheit für Private Equity-Engagement in England
BFH 24.8.2011, I R 46/10Bei den Klägerinnen handelte es sich u.a. um deutsche Versicherungsunternehmen. Sie hatten sich als sog. institutionelle Anleger an einem PE-Fonds in England beteiligt, der dort operativ über eine Managementgesellschaft agierte. Investitionsobjekte waren kleinere und größere Buy-outs in der Form des Management Buy-out sowie Leveraged Buy-out, offensive (= riskante) Finanzierungen und risikobehaftete Kaufgelegenheiten. Der Investitionsbereich war grundsätzlich auf Großbritannien beschränkt. Gewinne sollten aus einer Börseneinführung des erworbenen jeweiligen Investments bzw. dessen Veräußerung erzielt werden.
Für die Einkünfte aus der Beteiligung gaben die Klägerinnen sowohl im Streitjahr 1998 als auch in den davor liegenden Veranlagungszeiträumen in Großbritannien keine Steuererklärungen ab. In Deutschland begehrten sie die gesonderte und einheitliche Feststellung steuerfreier Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von Art. XVIII Abs. 2a i.V.m. Art. III Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/1970.
Das Finanzamt machte ein hingegen ein Besteuerungsrecht geltend. Es ging dabei davon aus,
- die Tätigkeit des PE-Fonds sei nicht gewerblicher Art, sondern vermögensverwaltend;
- die Tätigkeit einer ausländischen gewerblich geprägten Personengesellschaft, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig ist, falle nicht unter den Unternehmensbegriff des DBA-Großbritannien 1964/1970;
- demnach gelte hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von Beteiligungen an britischen Kapitalgesellschaften die Regelung des Art. VIII Abs. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970, wonach das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Wohnsitzstaat des Anteilseigners zustehe;
- hinsichtlich der Dividendenausschüttungen ergebe sich ein ausschließliches Besteuerungsrecht Deutschlands aus Art. XVIII Abs. 2b Unterabs. (i) i.V.m. Buchst. a S. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970 unter Anrechnung der in Großbritannien gezahlten Steuer.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerinnen hob der BFH das Urteil auf und gab den Klagen statt.
Die Gründe:
Zwar hat das FG zu Recht angenommen, dass die Fonds-Gesellschaft bei isolierter Betrachtung - unbeschadet ihrer gewerblichen Prägung - Einkünfte aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet hatte, und dass für diese Einkünfte nach Art. III Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 S. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 Großbritannien als Betriebsstättenstaat und nicht Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht gebührte. Allerdings hat es zu Unrecht angenommen, das Besteuerungsrecht sei nach Art. XVIII Abs. 2a S. 1 2. Hs. DBA-Großbritannien 1964/1970 für die abkommensrechtlich nach Art. XVIII Abs. 2a i.V.m. Art. III Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 S. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 freigestellten Einkünfte an Deutschland zurückgefallen. Ein vergleichbarer Besteuerungsrückfall ergab sich auch nicht aus § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a S. 6 EStG 2002 n.F.
Weil das Besteuerungsrecht für gewerbliche Einkünfte nach Maßgabe von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) regelmäßig demjenigen Staat gebührt, in dem der Fonds mit einer Betriebsstätte tätig ist, bleiben die Gewinne in Deutschland steuerfrei. Das gilt selbst dann, wenn der Fonds im Ausland über kein eigenes Büro und kein eigenes Personal verfügt und seine Geschäfte - wie hier -über eine Managementgesellschaft ausüben lässt.
Auch der Umstand, dass die Fondseinkünfte im anderen Vertragsstaat nicht besteuert werden, ändert an der Steuerbefreiung nichts. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber für einen derartigen Fall Vorsorge getroffen: Er hat mit § 50d Abs. 9 EStG eine Norm geschaffen, die das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfallen lässt, wenn andernfalls die Einkünfte überhaupt nicht besteuert werden. Dass völkerrechtlich im DBA das Gegenteil vereinbart wurde, stört ihn insofern nicht; man setzt sich in einem sog. Treaty override darüber hinweg.
Dieser Besteuerungsrückfall gelingt aber nur, wenn er auf eine unterschiedliche steuerliche Auslegung des DBA durch beide Vertragsstaaten - einen sog. negativen Qualifikationskonflikt - zurückzuführen ist. Er scheitert indes, wenn Grund für die Nichtbesteuerung im anderen Staat dessen nationales Steuerrecht ist, etwa, weil dieser Staat PE-Engagements steuerlich subventioniert.
Das Ganze kehrt sich um, wenn sich Ausländer an einem deutschen PE-Fonds beteiligen, oder auch, wenn es sich um einen rein innerdeutschen Fonds handelt: Bisher konnte der Fonds in Deutschland darauf hoffen, nicht als gewerblich angesehen zu werden, was insbesondere für die Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen vorteilhaft war. Den Steuervorteil sicherte ihm eine sehr großzügige Praxis der deutschen Finanzverwaltung. Diese Praxis wird jetzt vom BFH allerdings grundlegend in Frage gestellt.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu gelangen, klicken Sie bitte hier.