Steuerliche Berücksichtigung von überobligatorischen Beiträgen zu einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Pensionskasse
KurzbesprechungEStG § 3 Nr. 56, § 3 Nr. 62 S 1, § 3 Nr. 62 S 4, § 3 Nr. 63 S 1, § 10 Abs 1 Nr. 2 Buchst a, § 10 Abs 1 Nr. 2 Buchst b, § 11 Abs 1 S 4, § 19 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 19 Abs 1 S 2, § 38a Abs 1 S 2, § 38a Abs 1 S 3
AltZertG § 1 Abs 1 S 1 Nr. 4
BetrAVG § 1 Abs 1 S 1
DBA CHE Art 15a
Der Steuerpflichtige ist Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA - Schweiz, so dass seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat besteuert werden können. Streitig war, ob überobligatorische Beiträge zu einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Pensionskasse als Arbeitslohn zu versteuern sind, ob ggf. eine Steuerbefreiungsvorschrift greift und ob ggf. ein Sonderausgabenabzug möglich ist. Der BFH hat die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach steuerpflichtiger, nicht steuerbefreiter Arbeitslohn vorliegt und ein Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist.
Die von einem schweizerischen Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer geleisteten überobligatorischen Beiträge zur beruflichen Vorsorge stellen steuerbaren Arbeitslohn dar. Denn es handelt sich bei diesen insbesondere nicht um einen allgemeinen, für Dritte bestimmten Finanzierungsbeitrag, durch den der einzelne Arbeitnehmer weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt. Vielmehr wird der eingezahlte überobligatorische Arbeitgebersparbeitrag dem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Sparguthaben gutgeschrieben, wodurch sich dessen individuelle (Renten-)Leistungen bei Eintritt des Vorsorgefalls "Alter" erhöhen.
Ebenso erhöhen die überobligatorischen Arbeitgeberrisikozuschläge die individuellen Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers in den Vorsorgefällen "Tod" und "Invalidität". Einem solchen Rechtsanspruch kommt ein eigener Vermögenswert zu.
Da die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge auf dem Arbeitsverhältnis mit dem Kanton St. Gallen beruhen und im Interesse des Steuerpflichtigen getätigt werden, werden die Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers zudem "für" eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewährt.
Dem Steuerpflichtigen war der Arbeitslohn in Höhe der überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge im Streitjahr auch zugeflossen. Denn nach § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG gilt laufender Arbeitslohn, das heißt Arbeitslohn, der ‑ wie im Streitfall ‑ dem arbeitsvertraglich definierten laufenden Lohnzahlungszeitraum zugehörig gezahlt wird, in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Dennoch ist nach der Vorschrift das Vorliegen eines tatsächlichen Zuflusses Voraussetzung.
Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers fließen dann zu, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer Versicherungsbeiträge in der Weise leistet, dass ihm ein eigener unentziehbarer Anspruch auf Versicherungsleistungen entsteht. Im Streitfall waren dem Steuerpflichtigen die streitgegenständlichen überobligatorischen Beiträge des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge im Streitjahr mit dem jeweiligen monatlichen Eingang auf dem Konto der PK zugeflossen. In diesem Zeitpunkt erwarb er einen eigenen unentziehbaren Anspruch gegen die PK auf die bei Eintritt der Vorsorgefälle Alter, Tod und Invalidität im VR vorgesehenen Versicherungsleistungen.
Die überobligatorischen Beiträge des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge waren auch nicht von der Besteuerung befreit:
- Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 56 EStG war schon deshalb nicht einschlägig, weil eine Zuwendung zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten, das heißt umlagefinanzierten, betrieblichen Altersversorgung vorausgesetzt wird. Eine solche lag im Streitfall nicht vor.
- Bei ausländischen Beiträgen des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge ist für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG vorliegen, zu prüfen, ob die ausländische Pensionskasse mit einer inländischen Pensionskasse als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung nach dem deutschen Betriebsrentengesetz vergleichbar ist oder einem der Durchführungswege als vergleichbar zugeordnet werden kann. Eine Vergleichbarkeit ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht, das heißt nach Motivation und Funktion gleichwertig ist. Im Streitfall hatte das FG die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 63 EStG zutreffend verneint, weil die überobligatorische Vorsorgevereinbarung mit der PK nicht mit der inländischen betrieblichen Altersversorgung vergleichbar war.
- Eine Steuerfreiheit ergab sich auch nicht aus § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG. Denn von dieser Vorschrift werden nur solche Arbeitgeberbeiträge erfasst, die für eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherung geleistet werden. Im Streitfall fehlte es sowohl an einer gesetzlichen Verpflichtung, nach der die überobligatorischen Beiträge zu leisten sind, wie auch an der Vergleichbarkeit der schweizerischen überobligatorischen Vorsorge mit dem Leitbild der deutschen Basisvorsorge.
- Eine Steuerfreiheit ergab sich letztlich auch nicht aus § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG, da die anzurechnenden Arbeitgeberleistungen (die obligatorisch geleisteten Zahlungen an die PK sowie die Leistungen in die AHV und IV) die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge an die PK im Streitjahr überstiegen.
Auch lagen die Voraussetzungen für einen Abzug der überobligatorischen Beiträge zur PK als Sonderausgaben nicht vor. Eine Vergleichbarkeit der ausländischen überobligatorischen Vorsorge der PK mit der Basisvorsorge im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung war nicht gegeben, weil die Leistungen der überobligatorischen Vorsorge auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis beruhen, mithin freiwilligen Charakter haben und erheblich über das gesetzlich garantierte Minimum hinausgehen. Die Beiträge in das Überobligatorium der PK stellen auch keine Beiträge zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung dar, da die Auszahlung des Altersguthabens nicht nur als lebenslange Rente erfolgen kann, sondern dem Steuerpflichtigen davon abweichend mehrere Möglichkeiten eröffnet waren, Kapitalleistungen zu erhalten, die weit über die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bis 5 EStG genannten Grenzen hinausgehen.