Steuersonderregelung für France Télécom zwischen 1994 und 2002 war staatliche Beihilfe
EuGH 8.12.2011, C-81/10 PDie klagende France Télécom, die jetzt eine AG französischen Rechts ist, war 1991 als juristische Person des öffentlichen Rechts sui generis gegründet worden. Im Jahr 1998 wurde sie in ein staatliches Unternehmen umgewandelt, dessen Gesellschaftskapital im hier maßgeblichen Zeitraum zu mehr als der Hälfte unmittelbar oder mittelbar vom Staat gehalten wurde. In Abweichung von der Gewerbesteuerregelung wurden zugunsten von France Télécom zwei aufeinander folgende Steuerregelungen geschaffen, nämlich eine Übergangsregelung, die von Januar 1991 bis Dezember 1993 galt, und anschließend eine endgültige Regelung, die ab Januar 1994 anwendbar war. Die letztgenannte Regelung wurde mit Wirkung vom 31.12.2002 aufgehoben.
Unter der Übergangsregelung (1991-1993) durfte France Télécom nur den staatlichen Steuern und Abgaben unterworfen werden. Dementsprechend musste sie insbesondere weder Körperschaftsteuer noch lokale Steuern wie die Gewerbesteuer zahlen. Im Gegenzug für diese Befreiung musste sie eine Pauschalabgabe entrichten, die jährlich durch Gesetz festgelegt wurde. Gemäß der endgültigen Regelung (1994-2002) galt für France Télécom ab Januar 1994 die Steuerregelung des allgemeinen Rechts, von der die lokalen direkten Steuern ausgenommen waren, zu denen die Gewerbesteuer gehörte. Hinsichtlich der zuletzt genannten Steuer galt für France Télécom ein nationaler Satz.
Nach einer Prüfung im August 2004 hielt die EU-Kommission die von 1994 bis 2002 anwendbare Steuersonderregelung für eine staatliche Beihilfe, die in der Differenz zwischen der Steuer, die France Télécom unter den Bedingungen des allgemeinen Rechts hätte tragen müssen, und dem tatsächlich von ihr abgeführten Betrag der Gewerbesteuer bestehe. Diese rechtswidrig durchgeführte neue Beihilfe wurde überdies für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar befunden. Deshalb wurde ihre Rückforderung durch die französischen Behörden angeordnet.
Das EuG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Das Rechtsmittel der Klägerin blieb vor dem EuGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Entscheidung, mit der die EU-Kommission die Beihilfen festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet hat, ist rechtsgültig.
Der Klägerin kamen eine geringere Gewerbesteuerbelastung und damit ein Vorteil zugute. Insbesondere profitierte das Unternehmen von einer steuerlichen Sonderbehandlung auf nationaler Ebene, die dadurch gekennzeichnet war, dass Berechnungsgrundlage für die Gewerbesteuer ein gewichteter Durchschnittssatz war, der im Verhältnis zu den in den verschiedenen lokalen Gebietskörperschaften anwendbaren unterschiedlichen Sätzen ermittelt wurde, während die Sätze für die übrigen Unternehmen von diesen Gebietskörperschaften jährlich beschlossen wurden. Außerdem galt für France Télécom ein einziger Gewerbesteuersatz am Ort ihrer Hauptniederlassung, während die übrigen Unternehmen zu den verschiedenen Sätzen besteuert wurden, die von den lokalen Gebietskörperschaften beschlossen wurden, in deren Gebiet sie Niederlassungen hatten.
Die Steuersonderregelung war dadurch, dass der Klägerin einen Vorteil verschafft hatte, eine staatliche Beihilfe, auch wenn der genaue Betrag der aufgrund dieser Regelung gewährten Beihilfen anhand bestimmter regelungsexterner Faktoren ermittelt werden musste. Hierbei handelte es sich um eine gemischte Konfiguration, bei der das Bestehen eines Vorteils zum einen einer festen Größe geschuldet war, die mit der Steuersonderregelung für France Télécom im Vergleich zur allgemeinen Regelung zusammenhing, und zum anderen einer variablen Größe, die sich nach außerhalb der Regelung liegenden Faktoren richtete wie der Lage der Räume oder Grundstücke des Unternehmens in den verschiedenen lokalen Gebietskörperschaften und dem in diesen Gebietskörperschaften geltenden Steuersatz.
Letztlich war auch die Ansicht des EuG rechtsfehlerfrei, wonach die EU-Kommission einen Ausgleich zwischen den von France Télécom von 1991 bis 1993 entrichteten Beträgen der Pauschalabgabe und den Besteuerungsunterschieden, die sich aus der zugunsten des Unternehmens eingeführten Steuersonderregelung für die Jahre 1994 bis 2002 ergaben, zu Recht abgelehnt habe.
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