Tabaksteuerfreier Eigenbedarf erfasst auch Geschenke an Familienmitglieder
BFH 8.9.2011, VII R 59/10Die Klägerin fuhr gemeinsam mit den Großeltern und ihrem Vater von Deutschland nach Polen. In Polen erwarb jedes Familienmitglied eine Stange Zigaretten. Die Zigarettenpackungen waren mit polnischen Steuerzeichen versehen. Nach der Rückkehr nach Deutschland schenkten die Großeltern und der Vater der Klägerin die von ihnen erworbenen Zigaretten der Klägerin, die allein ihre Fahrt zu ihrem Wohnort fortsetzte.
Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle fanden Beamte des beklagten Hauptzollamts insgesamt drei Stangen und acht Schachteln polnische Zigaretten im Fahrzeug der Klägerin. Von den insgesamt 760 Stück Zigaretten wurden 560 Stück Zigaretten nach § 215 AO sichergestellt. Den gegen die Sicherstellung eingelegten Einspruch wies das Hauptzollamt mit der Begründung zurück, die Klägerin habe die sichergestellten Zigaretten nach § 19 i.V.m. § 20 Abs. 4 S. 2 TabStG 2010 zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland verbracht.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Hauptzollamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Sicherstellung der Zigaretten nicht vorliegen.
Gem. § 20 Abs. 1 TabStG sind in einem anderen Mitgliedstaat der EU versteuerte Zigaretten, die Privatpersonen in diesem Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf erwerben und selbst in das Steuergebiet verbringen, von der deutschen Tabaksteuer befreit. Die Steuerbefreiung wird indes nach § 20 Abs. 3 TabStG 2003 nicht gewährt, wenn Privatpersonen Tabakwaren aus anderen Mitgliedstaaten in das Steuergebiet verbringen lassen, z.B. durch Transportunternehmen. Nur in diesem - hier nicht vorliegenden - Fall, dass die Tabakwaren nicht selbst in das Steuergebiet befördert werden, wird durch die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 3 TabStG fingiert, dass die Tabakwaren mit der Folge der Entstehung der deutschen Tabaksteuer zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht worden sind.
Entgegen der Auffassung des Hauptzollamts haben die Großeltern der Klägerin und ihr Vater die in Polen gekauften Zigaretten "für ihren Eigenbedarf" i.S.v. § 20 Abs. 1 TabStG erworben. Der Wortlaut der Vorschrift steht der vom FG vorgenommenen Deutung nicht entgegen, nach der verbrauchsteuerpflichtige Waren auch dann für den Bedarf des privaten Käufers erworben werden, wenn sie aufgrund enger persönlicher Beziehungen zu einer anderen Privatperson dieser zum Geschenk gemacht werden sollen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen der Privatperson und dem Beschenkten - wie im Streitfall - verwandtschaftliche Beziehungen bestehen.
Das Steuerprivileg steht demnach nicht nur Rauchern zu, die sich für den eigenen Bedarf in anderen Mitgliedstaaten mit billigen Zigaretten eindecken. Es wäre mit den Zielen des freien Binnenmarkts nicht in Einklang zu bringen, den Begriff des Eigenbedarfs dahingehend auszulegen, dass er ausschließlich den persönlichen Konsum der erworbenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren erfasst. Ein solches Verständnis führte im Ergebnis zu einem Erwerbsverbot von Zigaretten durch Nichtraucher, denn die hohen Kosten hielte diese regelmäßig von einem Einkauf von Zigaretten in einem anderen Mitgliedstaat ab. Restriktionen dieses Ausmaßes können vom Unionsgesetzgeber bei der Konzeption der verbrauchsteuerrechtlichen Regelung des Reiseverkehrs aber nicht beabsichtigt worden sein.
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