Taxiunternehmen: Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei Krankenfahrten
FG Sachsen-Anhalt 22.12.2016, 4 V 1378/15Der Antragsteller betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen und versteuerte im Streitjahr 2006 seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. So führte er etwa für verschiedene Auftraggeber Rollstuhltransporte durch. Dafür benutzte der Antragsteller sog. Kombifahrzeuge, die über spezielle Einrichtungen verfügen, aber auch für andere Zwecke verwendet werden können. Aufgrund eines besonderen Vertrages mit einer privatwirtschaftlich betriebenen Klinik beförderte er außerdem deren Patienten, und zwar sitzend, in Rollstühlen, in Tragestühlen oder liegend.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Antragsteller die Rollstuhltransporte bisher je nach Beförderungsstrecke mit dem ermäßigten oder dem vollen Steuersatz in Rechnung gestellt hatte, obwohl sie gem. § 4 Nr. 17b UStG steuerfrei seien. Die Beförderungsleistungen, bei denen die Patienten weder liegend noch in Roll- oder Tragestühlen befördert würden, unterlägen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG, weil keine begünstigte Verkehrsart vorliege. Es handele sich weder um einen begünstigten Verkehr mit Taxen noch um einen genehmigten Linienverkehr oder eine Sonderform des genehmigungsfreien Linienverkehrs i.S.d. UStAE. Auch ein Verkehr mit Taxen liege nicht vor, weil die Beförderungen aufgrund eines privatwirtschaftlichen Vertrages mit der Klinik durchgeführt würden.
Gegen die aufgrund dieser Feststellungen geänderten Umsatzsteuerbescheide legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Die Gründe:
Nach Lage der Akten hatte das Finanzamt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Leistungen des Antragstellers an die Klinik zu Recht abgelehnt.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung ermäßigte sich der Steuersatz von 19 % auf 7 % u.a. für die Beförderungen im Kraftdroschkenverkehr (Taxiverkehr) innerhalb einer Gemeinde, § 12 Abs. 2 Nr. 10b aa), oder wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km betrug. Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 12 Abs. 3a Unterabs. 3 der im Streitjahr 2006 geltenden Richtlinie 77/388/EWG, nunmehr Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten ermäßigte Steuersätze nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H (nunmehr der in Anhang III) genannten Kategorien zu dieser Richtlinie anwenden. Zu diesen Dienstleistungen zählen nach Kategorie 5 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Nr. 5 des Anhangs III MwStSystRL) die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks".
Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität lässt es nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Somit sind Personenbeförderungsleistungen, die auf der Grundlage einer für Taxiunternehmen und Mietwagenunternehmen gleichermaßen geltenden Sondervereinbarung mit einer Krankenkasse ausgeführt werden, gleich zu besteuern, wenn die Beförderung der Personen mit einem Taxi keinen konkreten und spezifischen Aspekt der Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks darstellt und wenn die im Rahmen dieser Vereinbarung durchgeführten Tätigkeiten aus der Sicht des durchschnittlichen Nutzers als gleichartig anzusehen sind.
Infolgedessen hat das Finanzamt insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beförderungsleistungen des Antragstellers für die Klinik auf der Grundlage einer Einzelvereinbarung erfolgt waren. Ob die Klinik gleichartige Vereinbarungen mit Taxiunternehmen getroffen hatte, ist dagegen nicht bekannt. Aber nur dann, wenn die Klinik - wie es bei den Sondervereinbarungen mit Krankenkassen üblich ist - auch mit Taxiunternehmen Verträge abgeschlossen hätte, die mit der mit dem Antragsteller getroffenen Vereinbarung vergleichbar wären, könnte der ermäßigte Steuersatz für die streitigen Leistungen des Antragstellers an die Klinik in Betracht kommen. Dies ließ sich jedoch anhand der vorliegenden Akten nicht feststellen. Eine Beweisaufnahme durch nicht präsente Beweismittel findet im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nicht statt. Dies geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Antragstellers.
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