Übergangsregelung zur Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien ist verfassungsgemäß
BFH 6.12.2016, IX R 48/15Die Kläger hatten vor dem 1.1.2009 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien erzielt, die zum 31.12.1998 und in den folgenden Jahren jeweils gesondert festgestellt wurden. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2013 stellte das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung jeweils mit 0 € fest. Zugleich stellte es in der zum 31.12.2012 festgestellten Höhe Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der ab dem 1.1.2009 anzuwendenden Fassung fest.
Die Kläger wehrten sich gegen die Feststellung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung mit jeweils 0 €. Das FG wies die Klage ab. Auch die Revision der Kläger, mit der sie die Verfassungswidrigkeit von Bundesrecht (§ 52a Abs. 11 S. 11 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 rügten, blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, dass Altverluste aus Aktienverkäufen ab dem Veranlagungszeitraum 2014 nicht mehr mit neuen Gewinnen aus Aktienverkäufen ausgeglichen werden können.
Mit Einführung der Abgeltungsteuer durch das UntStRefG 2008 hat der Gesetzgeber die Einkünfte aus der Veräußerung von Aktien (u.a.) ohne Berücksichtigung einer bestimmten Haltefrist den Einkünften aus Kapitalvermögen zugewiesen. Maßgeblicher Stichtag für den Systemwechsel war der 1.1.2009. Bei Veräußerungsvorgängen mit Aktien kommt es auf das Datum der Anschaffung der Aktien an (§ 52a Abs. 10 S. 1, Abs. 11 S. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008). Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien i.S.d. § 23 EStG a.F. (sog. Altverluste) konnten für eine Übergangszeit auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 (Neugewinne) ausgeglichen werden und minderten nach Maßgabe des § 10d EStG auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. UntStRefG 2008 erzielte. Diese Regelung war jedoch befristet und letztmals anzuwenden für den Veranlagungszeitraum 2013.
§ 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 i.V.m. § 52a Abs. 11 S. 11 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar kann die zeitliche Beschränkung des Ausgleichs von Altverlusten mit Neugewinnen aus Aktienverkäufen zu einer ungleichen Belastung mit Einkommensteuer bei Steuerpflichtigen mit Altverlusten führen. Der Ausschluss der Verrechenbarkeit ist jedoch dem zulässigen Systemwechsel geschuldet. Der Gesetzgeber war auch befugt, den Systemwechsel in überschaubarer Zeit abzuschließen. Das BVerfG hat sogar eine generelle zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags auf fünf Jahre gebilligt (BVerfG-Beschl. v. 22.7.1991, 1 BvR 313/88). Daran gemessen kann die zeitliche Befristung einer Übergangsregelung auf fünf Jahre keinen Bedenken unterliegen.
Die partielle Entwertung der Altverluste infolge des Übergangs zur Abgeltungsteuer verletzt auch nicht verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen. Denn die Übergangsregel, die eine zeitlich begrenzte Verrechnung mit Neugewinnen erlaubt (§ 23 Abs. 3 S. 9 u. 10 i.V.m. § 52a Abs. 11 S. 11 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008), verletzt schon deshalb nicht Vertrauen, weil sie zusätzliche Rechte schafft. Beeinträchtigt wird das Vertrauen in die Werthaltigkeit der gesondert festgestellten Verluste in der zu beurteilenden Konstellation allein dadurch, dass die Einkünfte aus Aktienveräußerungen aus dem Tatbestand des § 23 ausgegliedert und den Einkünften aus Kapitalvermögen zugewiesen wurden. Im Zusammenwirken mit dem unverändert beibehaltenen Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften sind die Altverluste dadurch - nach Auslaufen der Übergangsregelung - partiell wirtschaftlich entwertet worden.
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