30.11.2016

Umsatzsteuer bei gemeinnützigen Jugendherbergen

Die Steuersatzermäßigung für Jugendherbergen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1b AO gilt nicht für Leistungen an allein reisende Erwachsene. Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ist seit 1993 auch das dieser Steuersatzermäßigung zugrunde liegende Unionsrecht zu beachten.

BFH 10.8.2016, V R 11/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein, der Jugendherbergen und andere jugendgemäße Unterkünfte bewirtschaftet, die allen Mitgliedern des Deutschen Jugendherbergswerkes und der International Youth Hostel Federation (IYHF) offen stehen. Im Streitjahr 2008 erbrachte der Kläger satzungsgemäß steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 24 UStG an Jugendgruppen und Schulklassen. Daneben erbrachte er auch Beherbergungsleistungen an erwachsene Einzelreisende im Alter von über 27 Jahren. Die Anzahl der Gesamtübernachtungen betrug im Streitjahr 456.744, von denen auf allein reisende Erwachsene 24.165 Übernachtungen entfielen, so dass deren Anteil 5,3 % der Gesamtübernachtungen betrug.

Der Kläger bot den allein reisenden erwachsenen Gästen nur die Leistungen an, die auch von den übrigen Gästen wie Jugendgruppen, Schulklassen und Familien in Anspruch genommen werden konnten. Allerdings erhob der Kläger für Übernachtungen bei allein reisenden Erwachsenen einen Zuschlag von 3 € pro Nacht. Auch für zusätzlich angebotene Leistungen, wie Hobbyprogramme, Wanderungen oder Radwanderungen mussten allein reisende Erwachsene höhere Preise zahlen als die anderen Gäste.

Der Kläger versteuerte die Umsätze aus der Beherbergung von allein reisenden Erwachsenen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass diese Leistungen dem Regelsteuersatz unterliegen und erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid, da die Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene keinem Zweckbetrieb zuzuordnen seien. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Die Steuersatzermäßigung für Jugendherbergen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1b AO gilt nicht für Leistungen an allein reisende Erwachsene.

Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ist seit 1993 auch das dieser Steuersatzermäßigung zugrunde liegende Unionsrecht zu beachten. Im Hinblick auf die im Streitjahr zu beachtende unionsrechtliche Harmonisierung der Steuersatzermäßigungen war die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Rechtslage vor dieser Harmonisierung nicht auf das Streitjahr zu übertragen. Im Streitjahr war insofern zu beachten, dass sich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unionsrechtlich auf die Leistungen der von den Mitgliedstaaten anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit beschränkt. Damit ist eine Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. § 64 und § 68 Nr. 1b AO für andere als die satzungsmäßigen Leistungen gemeinnütziger Körperschaften - wie etwa für die Beherbergung allein reisender Erwachsener - nicht vereinbar.

Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben ergibt sich die erforderliche "Trennung der Aktivitäten" bereits aus der Altersstruktur der Übernachtungsgäste. Während die Leistungen an Jugendliche i.S.v. § 4 Nr. 23 S. 2 UStG und ihre Begleitpersonen als der sozialen Sicherheit dienend anzusehen sind, trifft dies auf allein reisende Erwachsene nicht zu. Leistungen an diesen Personenkreis werden in einem selbständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erbracht, der nicht Zweckbetrieb ist und dessen Umsätze der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz unterliegen.

Mit Blick auf diese Trennbarkeit führt die Beherbergung allein reisender Erwachsener mangels einheitlicher Beurteilung im Regelfall nicht mehr zum Wegfall der Zweckbetriebseigenschaft nach § 68 Nr. 1b AO bei der Beherbergung Jugendlicher und ihrer Begleitpersonen, wenn die Beherbergung allein reisender Erwachsener eine Grenze von 10 % gemessen an der Zeitdauer der Vermietung überschreitet. Danach war die Klägerin nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die an allein reisende Erwachsene erbrachten Leistungen berechtigt. Zudem hatte sie für die Beherbergung allein reisender Erwachsener auch höhere Entgelte verlangt und vereinnahmt.

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