26.08.2021

Umsatzsteuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften

Der für Länder und Kommunen erfolgende Betrieb von Flüchtlingsunterkünften durch eine GmbH ist von der Umsatzsteuer befreit; dasselbe gilt für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.

Kurzbesprechung
BFH v. 24.03.2021 - VI R 1/19

UStG § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. 1, § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l,  § 4 Nr. 18
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs 1 Buchst g,
AsylVfG § 43, § 53
EURL 33/2013 Art. 17, EURL 33/2013 Art. 18


Im Streitfall bewirtschaftete die Steuerpflichtige, eine GmbH, eine Vielzahl von Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose. Dabei handelte es sich sowohl um Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in kommunaler Trägerschaft als auch um Erstaufnahmeeinrichtungen verschiedener Bundesländer sowie um eine städtische Obdachlosenunterkunft. In der Regel verantwortete die Steuerpflichtige insbesondere die Ausstattung der jeweiligen Unterkunft, deren Reinigung und personelle Besetzung sowie die soziale Betreuung der untergebrachten Personen. Das FA behandelte die Umsätze der Steuerpflichtigen aus dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte als umsatzsteuerpflichtig. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies auch das FG die eingelegte Klag. ab.

Im Revisionsverfahren bekam die Steuerpflichtige dagegen Recht. Der BFH entschied, dass die Steuerpflichtige sich auf eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem berufen kann. Nach dieser Bestimmung sind u.a. eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen von der Steuer befreit, wenn sie von Einrichtungen bewirkt werden, die der betreffende Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt hat.

Dies war im Streitfall vorwiegend gegeben. Die Steuerpflichtige ist als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt, insbesondere weil die Übernahme des Betriebs von Flüchtlingsunterkünften durch private Dritte in verschiedenen Bundesländern durch spezifische Vorschriften geregelt ist. Dabei ist unerheblich, dass die Steuerpflichtige ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen und Obdachlosen, sondern gegenüber den Trägern der Unterkünfte (Länder und Kommunen) erbracht hat. Weiter handelt es sich bei dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge und Obdachlosen auch unerlässlich sind, da die in den Unterkünften aufgenommenen Menschen wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Sie gehören damit zu dem anerkanntermaßen begünstigten Personenkreis. Demgegenüber ist insbesondere die asylrechtliche Funktion der Flüchtlingsunterkünfte und der mit einer Obdachlosenunterkunft verfolgte Zweck der Gefahrenabwehr für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich.

Da die Steuerpflichtige neben dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte weitere Umsätze tätigte und hierzu hinreichende Feststellungen des FG fehlten, konnte  der BFH über die Klage nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das FG zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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