Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von "Marktgebühren" einer Erzeugergenossenschaft
Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 13. 9. 2022 - XI R 8/20
UStG § 1 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9
EGRL 112/2006 Art 2 Abs 1 Buchst a, 112/2006 Art 2 Abs 1 Buchst c
Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt. Der individuelle Leistungsempfänger muss aus der Leistung einen konkreten Vorteil ziehen. Ein einem Dritten entstehender Vorteil ist dann als nebensächlich einzustufen, wenn er sich aus einer Dienstleistung ergibt, die im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen liegt.
Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Erzeugergenossenschaft, die nach § 4 der Anlieferungsordnung als insoweit maßgeblichem Rechtsverhältnis als Zwischenhändlerin bei jedem einzelnen Verkaufsvorgang die Ware von den Erzeugern erwarb und an die Abnehmer weiterlieferte, mit der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse keine weitere sonstige Leistung an die Erzeuger ausgeführt hatte. Die Besteuerung des von der Erzeugergenossenschaft geschaffenen Mehrwerts war somit dadurch sichergestellt, dass beim Weiterverkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen an die Abnehmer um die "Marktgebühren" höher war als die der Lieferungen der Erzeuger an die Genossenschaft, weil deren Bemessungsgrundlage um die Marktgebühren gemindert wird.
Dieser Umstand schließt es aus, dieselben Marktgebühren zusätzlich zur Bemessungsgrundlage einer Vermarktungsleistung an die Erzeuger zu machen. Die Umsatzsteuer für dieselbe "Vermarktungsleistung" würde nämlich sonst ‑ wirtschaftlich gesehen ‑ durch Einbeziehung der Marktgebühren in die Bemessungsgrundlagen von zwei Umsätzen der Genossenschaft wirtschaftlich gesehen doppelt erhoben, ohne dass sie einen doppelten Mehrwert geschaffen hätte. Dementsprechend wurden die Erzeuger nur im Rahmen der von ihnen ausgeführten Lieferungen und nicht gesondert im Sinne einer eigenständigen Vorteilseinräumung begünstigt.
Bestätigt wird diese rechtliche Würdigung letztlich auch durch § 3 Abs. 3 UStG. Fehlt es bei Anwendung dieser Vorschrift und einem im eigenen Namen und fremde Rechnung handelnden Verkaufskommissionär neben den beiden Lieferungen an einer vom Verkaufskommissionär erbrachten sonstigen Leistung an den Verkaufskommittenten, ist nicht ersichtlich, weshalb eine derartige sonstige Leistung des Zwischenhändlers an den ersten Lieferer vorliegen sollte, wenn der Zwischenhändler (hier: die Genossenschaft) auf eigene Rechnung tätig ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 1 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9
EGRL 112/2006 Art 2 Abs 1 Buchst a, 112/2006 Art 2 Abs 1 Buchst c
Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt. Der individuelle Leistungsempfänger muss aus der Leistung einen konkreten Vorteil ziehen. Ein einem Dritten entstehender Vorteil ist dann als nebensächlich einzustufen, wenn er sich aus einer Dienstleistung ergibt, die im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen liegt.
Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Erzeugergenossenschaft, die nach § 4 der Anlieferungsordnung als insoweit maßgeblichem Rechtsverhältnis als Zwischenhändlerin bei jedem einzelnen Verkaufsvorgang die Ware von den Erzeugern erwarb und an die Abnehmer weiterlieferte, mit der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse keine weitere sonstige Leistung an die Erzeuger ausgeführt hatte. Die Besteuerung des von der Erzeugergenossenschaft geschaffenen Mehrwerts war somit dadurch sichergestellt, dass beim Weiterverkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen an die Abnehmer um die "Marktgebühren" höher war als die der Lieferungen der Erzeuger an die Genossenschaft, weil deren Bemessungsgrundlage um die Marktgebühren gemindert wird.
Dieser Umstand schließt es aus, dieselben Marktgebühren zusätzlich zur Bemessungsgrundlage einer Vermarktungsleistung an die Erzeuger zu machen. Die Umsatzsteuer für dieselbe "Vermarktungsleistung" würde nämlich sonst ‑ wirtschaftlich gesehen ‑ durch Einbeziehung der Marktgebühren in die Bemessungsgrundlagen von zwei Umsätzen der Genossenschaft wirtschaftlich gesehen doppelt erhoben, ohne dass sie einen doppelten Mehrwert geschaffen hätte. Dementsprechend wurden die Erzeuger nur im Rahmen der von ihnen ausgeführten Lieferungen und nicht gesondert im Sinne einer eigenständigen Vorteilseinräumung begünstigt.
Bestätigt wird diese rechtliche Würdigung letztlich auch durch § 3 Abs. 3 UStG. Fehlt es bei Anwendung dieser Vorschrift und einem im eigenen Namen und fremde Rechnung handelnden Verkaufskommissionär neben den beiden Lieferungen an einer vom Verkaufskommissionär erbrachten sonstigen Leistung an den Verkaufskommittenten, ist nicht ersichtlich, weshalb eine derartige sonstige Leistung des Zwischenhändlers an den ersten Lieferer vorliegen sollte, wenn der Zwischenhändler (hier: die Genossenschaft) auf eigene Rechnung tätig ist.