Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung ausländischer Fonds nach dem InvStG 2004 - Verzinsung von unter Verstoß gegen Unionsrecht nicht erstatteter Kapitalertragsteuer
Kurzbesprechung
BFH v. 13.3.2024 - I R 1/20
AEUV Art. 63; InvStG 2004 § 4 Abs. 2 Satz 7, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und Abs. 2, § 15 Abs. 2; KStG § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 50d Abs. 1 Satz 2; AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 233a Abs. 1 Satz 2, § 236, § 238 Abs. 1
Strittig ist, ob § 11 Abs. 1 Satz 2 des Investmentsteuergesetzes in der für die Streitjahre 2008 bis 2013 jeweils geltenden Fassung (InvStG 2004) mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar ist und einem ausländischen Investmentfonds ein auf das Unionsrecht gestützter und verzinslicher (Kapitalertragsteuer)Erstattungsanspruch zusteht.
Im vorliegenden Fall hatte ein französischer Investmentfonds in mehreren Jahren Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen. Auf diese Einkünfte war jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten und an die deutschen Finanzbehörden abgeführt worden. Der Fonds beantragte später die Erstattung dieser Steuern. Zur Begründung führte er an, dass ein inländischer Fonds steuerbefreit sei und keine Kapitalertragsteuer anfalle. Die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung zwischen einem in- und einem ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen. Das Finanzgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Mit seiner Revision verfolgt der Stpfl. sein Begehren weiter, denn das FG habe die Unionsrechtslage seiner Auffassung nach verkannt.
Der BFH hat die Revision teilweise zurückgewiesen im Übrigen aber als begründet angesehen und das Urteil des FG in dem Umfang aufgehoben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Nach Auffassung des I. Senats steht dem Stpfl. aus unionsrechtlichen Gründen eine Befreiung von der Körperschaftsteuer zu. Der damit verbundene Anspruch auf Erlass eines Freistellungsbescheids aus unionsrechtlichen Gründen sei verfahrensrechtlich durch eine analoge Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG umzusetzen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH müssen auch einem ausländischen Fonds die in § 11 InvStG 2004 geregelten Steuervergünstigungen zugestanden werden. Da inländische Fonds im Ergebnis keine Steuer auf die von ihnen erzielten Dividenden zu zahlen haben, dürften ausländische Fonds nicht schlechter behandelt werden. Ansonsten sei die im Unionsrecht verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt, so die Argumentation des BFH.
Des Weiteren entschied der I. Senat, dass der Stpfl. einen Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages habe. Entgegen der Auffassung des BZSt stehe dem grundsätzlichen Klageerfolg zum Zinsanspruch nicht die Regelung des § 44 Abs. 1 FGO entgegen, der zufolge die Klage grundsätzlich nur zulässig sei, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Der geltend gemachte Zinsanspruch war sowohl Gegenstand des Erstattungsantrags, des Ablehnungsbescheids, mit dem die Anträge vollumfänglich abgelehnt wurden, des Einspruchs sowie schließlich auch der abweisenden Einspruchsentscheidung. Das Vorverfahren sei somit sachlich erfolglos durchgeführt worden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AEUV Art. 63; InvStG 2004 § 4 Abs. 2 Satz 7, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und Abs. 2, § 15 Abs. 2; KStG § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 50d Abs. 1 Satz 2; AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 233a Abs. 1 Satz 2, § 236, § 238 Abs. 1
Strittig ist, ob § 11 Abs. 1 Satz 2 des Investmentsteuergesetzes in der für die Streitjahre 2008 bis 2013 jeweils geltenden Fassung (InvStG 2004) mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar ist und einem ausländischen Investmentfonds ein auf das Unionsrecht gestützter und verzinslicher (Kapitalertragsteuer)Erstattungsanspruch zusteht.
Im vorliegenden Fall hatte ein französischer Investmentfonds in mehreren Jahren Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen. Auf diese Einkünfte war jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten und an die deutschen Finanzbehörden abgeführt worden. Der Fonds beantragte später die Erstattung dieser Steuern. Zur Begründung führte er an, dass ein inländischer Fonds steuerbefreit sei und keine Kapitalertragsteuer anfalle. Die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung zwischen einem in- und einem ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen. Das Finanzgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Mit seiner Revision verfolgt der Stpfl. sein Begehren weiter, denn das FG habe die Unionsrechtslage seiner Auffassung nach verkannt.
Der BFH hat die Revision teilweise zurückgewiesen im Übrigen aber als begründet angesehen und das Urteil des FG in dem Umfang aufgehoben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Nach Auffassung des I. Senats steht dem Stpfl. aus unionsrechtlichen Gründen eine Befreiung von der Körperschaftsteuer zu. Der damit verbundene Anspruch auf Erlass eines Freistellungsbescheids aus unionsrechtlichen Gründen sei verfahrensrechtlich durch eine analoge Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG umzusetzen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH müssen auch einem ausländischen Fonds die in § 11 InvStG 2004 geregelten Steuervergünstigungen zugestanden werden. Da inländische Fonds im Ergebnis keine Steuer auf die von ihnen erzielten Dividenden zu zahlen haben, dürften ausländische Fonds nicht schlechter behandelt werden. Ansonsten sei die im Unionsrecht verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt, so die Argumentation des BFH.
Des Weiteren entschied der I. Senat, dass der Stpfl. einen Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages habe. Entgegen der Auffassung des BZSt stehe dem grundsätzlichen Klageerfolg zum Zinsanspruch nicht die Regelung des § 44 Abs. 1 FGO entgegen, der zufolge die Klage grundsätzlich nur zulässig sei, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Der geltend gemachte Zinsanspruch war sowohl Gegenstand des Erstattungsantrags, des Ablehnungsbescheids, mit dem die Anträge vollumfänglich abgelehnt wurden, des Einspruchs sowie schließlich auch der abweisenden Einspruchsentscheidung. Das Vorverfahren sei somit sachlich erfolglos durchgeführt worden.