09.11.2023

Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland

1. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig sind (entgegen: Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).
2. Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig.

Kurzbesprechung
BFH v. 9.8.2023 - VI R 20/21

EStG § 3c Abs 1, § 9 Abs 1 S 3 Nr. 5
BBG § 72 Abs 2
SGB 2 § 22


Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG enthält mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland. Die Prüfung der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG vorgesehenen Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen entfällt in diesem Fall.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts ("im Inland") scheidet jedoch eine Anwendung der Regelung auf einen ‑ wie im Streitfall ‑ im Ausland belegenen Zweithaushalt aus. Insoweit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG, wonach notwendige Unterkunftskosten, das heißt begrenzt auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche, als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind, kommt für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).

Im Übrigen hält der BFH eine "Übertragung" der sogenannten "60 qm-Rechtsprechung" auf Auslandssachverhalte schon deshalb nicht für angezeigt, weil die dahingehende typisierende Gesetzesauslegung des Tatbestandsmerkmals "notwendig" nicht der einfacheren Handhabung in steuerlichen Massenverfahren dient. Sie ist vielmehr bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar. Denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort können in der Regel weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden.

Hinzu kommt, dass eine Typisierung sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss. Ein solch typischer Fall lässt sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung erforderlich sind (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).

Im Streitfall bestätigte der BFH daher die Entscheidung der Vorinstanz, die den Werbungskostenabzug - vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG ‑ in tatsächlicher Höhe zugelassen hatte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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