11.07.2024

Untersagung der unerlaubten Hilfeleistung in Steuersachen

1. § 6 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ist entsprechend seinem Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzung und Entstehungsgeschichte eng auszulegen und auf die gesetzlich beschriebenen Tätigkeiten zu beschränken.
2. Die Vorschrift kann nicht auf die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn das Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang steht (hier Antrag auf Erlass im Sinne von § 227 der Abgabenordnung im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung).
3. Nach Vollziehung eines Verwaltungsakts fehlt für eine Leistungsklage im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung in der Regel das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da die gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebundene Verwaltungsbehörde von sich aus die sich aus der Aufhebung ihres bereits vollzogenen Verwaltungsakts ergebenden Konsequenzen ziehen wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.4.2024 - VII R 22/21

AO § 80 Abs 7, § 80 Abs 10, § 152 Abs 1,
§ 227 StBerG § 2 Abs 1, § 5 Abs 1, § 6 Nr. 4
GG Art 12 Abs 1, Art 20 Abs 3
FGO § 100 Abs 1 S 2


Streitig war die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 7 AO und ein Folgenbeseitigungsantrag.

1. Folgebeseitigungsantrag

Der von der Klägerin mit ihrer Klage gestellte Folgenbeseitigungsantrag war unzulässig, da es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis mangelte.

Soweit der Verwaltungsakt schon vollzogen ist, kann das Gericht zwar gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Für eine ‑ neben der die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts erstrebenden Anfechtungsklage ‑ zusätzliche Leistungsklage fehlte es im Streitfall allerdings an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn ein solches besteht in der Regel nicht, da die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebundene Verwaltungsbehörde von sich aus die sich aus der Aufhebung ihres bereits vollzogenen Verwaltungsakts ergebenden Konsequenzen ziehen wird.

2. Zurückweisung als Bevollmächtigte

Soweit ein Bevollmächtigter geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet, ohne dazu befugt zu sein, ist er gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen. Die Zurückweisung ist gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 AO dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bekannt zu geben. Gemäß § 80 Abs. 10 AO sind Verfahrenshandlungen, die ein Bevollmächtigter vornimmt, nachdem ihm die Zurückweisung bekannt gegeben worden ist, unwirksam.

Ob jemand zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, richtet sich nach dem Steuerberatungsgesetz, das nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 unter anderem auf die Hilfeleistung in Angelegenheiten anzuwenden ist, die durch Bundesrecht geregelte Steuern und Vergütungen betreffen, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden.

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG umfasst die Hilfeleistung in Steuersachen auch die Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind.

Im Streitfall stellte die Hilfeleistung der Klägerin sowohl bei der Lohnbuchführung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG) als auch bei der Lohnsteuer-Anmeldung und einem eventuellen Antrag auf Erlass im Sinne von § 227 AO im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) eine Hilfeleistung in Steuersachen dar.

Diese Hilfe leistete die Klägerin geschäftsmäßig. Dies ergab sich u.a. auch daraus, dass sie für die B-GmbH (Gesellschaft, für die sie tätig geworden ist) einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung für September 2019 gestellt hatte. Die Klägerin war jedoch nicht befugt, im Rahmen ihrer geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung zu stellen.

Gemäß § 2 Satz 1 StBerG (ab 01.08.2022: § 2 Abs. 1 Satz 1 StBerG) darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt sind. Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind die in § 3 StBerG bezeichneten Personen befugt, zum Beispiel Steuerberater (§ 3 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 StBerG).

Aus § 3a StBerG ergibt sich für bestimmte Personen und Vereinigungen eine Befugnis zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, aus § 4 StBerG eine Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG in der im Streitfall bis zum 31.07.2022 anwendbaren Fassung dürfen andere als die in den §§ 3, 3a und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen.

Eine Befugnis der Klägerin ergibt sich nicht aus §§ 3, 3a und 4 StBerG, weil sie als Buchführungsbüro nicht zu den in §§ 3, 3a und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen gehört.

Die Klägerin konnte für den gestellten Erlassantrag eine Ausnahme von dem Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 6 Nr. 4 StBerG ableiten. Das Verbot des § 5 StBerG gilt gemäß § 6 Nr. 4 StBerG nicht für das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach Bestehen der Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sind.

§ 6 Nr. 4 StBerG ist entsprechend seinem Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzung und Entstehungsgeschichte eng auszulegen und auf die gesetzlich beschriebenen Tätigkeiten zu beschränken. Die Vorschrift kann nicht auf die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn das Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang steht.

Der BFH stellte heraus, dass zu unterscheiden ist zwischen der Steuerberatung einerseits, die einem grundsätzlichen Verbot der unbefugten Hilfeleistung unterliegt, und den von diesem Verbot auszunehmenden Tätigkeiten andererseits, die keine besonderen handels- und steuerrechtlichen Kenntnisse erfordern und bei denen qualitätssichernde Vorgaben nicht oder nur eingeschränkt geboten erscheinen. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von Regel und Ausnahme, welches auch im Gesetzgebungsverfahren für das Vierte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes beschrieben worden ist (BTDrucks 11/3915, S. 17 und 18). Diese Entstehungsgeschichte lässt eine enge Wortlautauslegung des § 6 Nr. 4 StBerG geboten erscheinen.

Unter Berücksichtigung dieser am Ausnahmecharakter des § 6 Nr. 4 StBerG orientierten engen Auslegung kann die Vorschrift nicht auf die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn das Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang steht. Denn die Hilfeleistung in einem solchen Verfahren ist vom Wortlaut des § 6 Nr. 4 StBerG nicht erfasst. Diese Vorschrift benennt lediglich bestimmte Tätigkeiten, und zwar das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen. Die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sind nicht eingeschlossen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund entschied der BFH, dass die streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin, die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 227 AO, keine gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässige Tätigkeit darstellt. Das FA hatte die Klägerin daher zu Recht gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückgewiesen. Dabei hatte sie die Zurückweisung auf den Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags beschränkt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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