Unzulässiger Normenkontrollantrag zum Bezug von Elterngeld - "Partnermonate" sind zweckgerichtet
BVerfG 19.8.2011, 1 BvL 15/11Die verheiratete Klägerin hatte für die ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld erhalten. Dieses kann gem. § 4 Abs. 3 S. 1 BEEG vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich nicht mehr als 12 Monate betragen. Mindestens zwei Monate müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden (sog. "Partner(innen)-" oder "Vätermonate"). Ausnahmen gelten für Alleinerziehende.
Die Klägerin war während der ersten 18 Monate nach der Geburt gar nicht und in den nachfolgenden 18 Monaten nur einen Tag in der Woche erwerbstätig. Der Vater des Kindes war vor und nach der Geburt vollzeitig erwerbstätig. Infolgedessen beanspruchte die Klägerin auch für den 13. und 14 Monat Elterngeld, was die Behörde allerdings ablehnte.
Auf die hiergegen gerichtete Klage legte das LSG Niedersachsen-Bremen die Sache dem BVerfG mit der Frage, ob die Regelung des § 4 Abs. 3 S. 1 BEEG verfassungswidrig ist, zur Entscheidung vor. Das LSG selbst war der Ansicht, die Regelung greife ungerechtfertigt in die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und Eltern zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der innerfamiliären Aufgabenverteilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes zumindest für zwei Monate von einer bestimmten familiären Arbeitsverteilung abhängig mache.
Das BVerfG wies den Normenkontrollantrag als unzulässig ab.
Die Gründe:
Das LSG hatte sich weder eingehend mit der maßgeblichen BVerfG-Rechtsprechung noch mit den von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen und Gründen auseinandersetzt, die im Gesetzgebungsverfahren für die gesetzgeberische Entscheidung maßgebend waren.
So wäre zu erwägen gewesen, ob durch die vor allem auf Väter zielende Regelung zu den "Partnermonaten" gesellschaftliche Vorurteile, insbesondere in der Arbeitswelt, abgebaut werden und Väter dadurch zur Inanspruchnahme von Elternzeit ermutigt werden könnten. Gleiches gilt für die Überlegung, ob die geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen nicht teilweise ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar. Schließlich zielte die Regelung zu den "Partnermonaten" darauf ab, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreuungsarbeit an die Frauen mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen.
Soweit das LSG die Regelung für unverhältnismäßig hielt, weil sie nicht geeignet sei, zu einer partnerschaftlicheren Rollenverteilung beizutragen, fehlte es an einer Auseinandersetzung mit der Reichweite des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums. Denn ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel ist im verfassungsrechtlichen Sinn bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld bezog, in den Jahren 2007 bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen. Diese Daten lassen eine Steigerung der Akzeptanz der Wahrnehmung von Familienverantwortung durch Väter erwarten. Damit erscheint auch die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern, zumindest möglich.
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