27.06.2024

Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 7.6.2024 - VIII B 113/23 (AdV)

FGO § 69 Abs 3
EStG § 20 Abs 1 Nr. 11, § 20 Abs 2 S 1 Nr. 3, § 20 Abs 6 S 5
GG Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 14
FGO § 69 Abs 2 S 2
GrenzStMPflEinfG Art 5 Nr. 1


Die Antragsteller wenden sich gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096). Sie halten die Regelung für verfassungswidrig und begehrten beim FA erfolglos Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides. Das FG hat nachfolgend dann den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr von der Vollziehung ausgesetzt. Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt; er hat ebenfalls im Rahmen der nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr.

Der BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 bei summarischer Prüfung für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss.

Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt.

Vor diesem Hintergrund hält der BFH bei der gebotenen summarischen Prüfung § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Denn die Vorschrift bewirkt eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen. Der besondere Verrechnungskreis für Verluste aus Termingeschäften führt zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, je nachdem, ob diese Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt haben. Innerhalb des besonderen Verrechnungskreises für Verluste aus Termingeschäften kommt es darüber hinaus zu einer Ungleichbehandlung der vom Steuerpflichtigen erzielten Gewinne und Verluste aus Termingeschäften.

Bei summarischer Prüfung sieht der BFH bei der gebotenen, aber ausreichenden summarischen Prüfung keine tragfähigen sachlichen Rechtfertigungsgründe für die festgestellten Ungleichbehandlungen. Aus seiner Sicht des Senats liegen hinreichende Gründe für eine strengere, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Prüfung der gesetzgeberischen Differenzierung vor.

§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG kann sich, ebenso wie § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG, auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken. Die Verlustausgleichs- und -verrechnungsbeschränkung hält aber auch einer Prüfung am Maßstab des Willkürverbots nicht stand. Denn es fehlt ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung zwischen solchen Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen, und solchen mit Verlusten aus anderen Kapitalanlagen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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