Verlust aus der Veräußerung von Aktien
Kurzbesprechung
BFH v. 29.9.2020 - VIII R 9/17
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1, § 20 Abs. 4, § 20 Abs. 6 S. 6, § 43a Abs. 3 S. 4
AO § 41 Abs. 2, § 42
Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Dabei bedeutet "Veräußerung" die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten.
Im Streitfall ging das Eigentum der Aktien des Steuerpflichtigen auf die Käuferin über, da sie aus dessen Depot aus- und in das Depot der Käuferin eingebucht wurden. Dieser Rechtsträgerwechsel war auch entgeltlich, da die Käuferin an den Steuerpflichtigen einen Kaufpreis von 10 € gezahlt hatte.
Weitere Tatbestandsmerkmale stellt das Gesetz nicht auf. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Auch erfolgte im Streitfall die Übertragung der Aktien nicht zum Schein (§ 41 Abs. 2 AO). Es bestand zwischen dem Steuerpflichtigen und der Käuferin auch kein Näheverhältnis, so dass die Vereinbarung über den Verkauf der Aktien als entgeltliche Veräußerung zwischen fremden Dritten zu behandeln war.
Aus dem Umstand, dass die Aktien bereits Ende 2012 wertlos waren, ergibt sich keine andere steuerliche Beurteilung. Allein der Kursverfall der Aktien und deren Ausschluss vom Handel an der Börse (Delisting) im Jahr 2012 ohne Ausbuchung aus dem Depot des Steuerpflichtigen führten noch nicht zu einer Realisierung des Aktienverlusts. Dieser ist erst dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Aktien veräußert werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder ein Ersatztatbestand für die Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines dieser Tatbestände bereits vor dem Streitjahr erfüllt waren, lagen nicht vor.
Im Streitfall stellte die Veräußerung der (wertlosen) Aktien auch keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO dar. Denn der Steuerpflichtige hatte lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. Er verfolgte das Ziel, sich von den nahezu wertlosen Wertpapieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel war (sinnvoll) nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht die Veräußerung von Aktien ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. Der Steuerpflichtige hatte daher nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Daran ändert sich nichts dadurch, dass ein Verlustgeschäft vorliegt, denn auch Veräußerungsverluste werden vom Anwendungsbereich des § 20 EStG erfasst. Dabei steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seine Gesellschaftsanteile veräußert. Auch der Umstand, dass die Übertragung der (wertlosen) Aktien des Steuerpflichtigen mit der Verpflichtung des Erwerbs wertloser Aktien verknüpft wurde, führt nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch. Denn die gewählte Art der Veräußerung stellt eine durch das Gesetz eingeräumte Möglichkeit dar, die nicht gegen vom Gesetzgeber vorgegebene Wertungen verstößt, zumal mögliche Kurssteigerungen der vom Steuerpflichtigen erworbenen Aktien steuerverstrickt sind.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1, § 20 Abs. 4, § 20 Abs. 6 S. 6, § 43a Abs. 3 S. 4
AO § 41 Abs. 2, § 42
Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Dabei bedeutet "Veräußerung" die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten.
Im Streitfall ging das Eigentum der Aktien des Steuerpflichtigen auf die Käuferin über, da sie aus dessen Depot aus- und in das Depot der Käuferin eingebucht wurden. Dieser Rechtsträgerwechsel war auch entgeltlich, da die Käuferin an den Steuerpflichtigen einen Kaufpreis von 10 € gezahlt hatte.
Weitere Tatbestandsmerkmale stellt das Gesetz nicht auf. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Auch erfolgte im Streitfall die Übertragung der Aktien nicht zum Schein (§ 41 Abs. 2 AO). Es bestand zwischen dem Steuerpflichtigen und der Käuferin auch kein Näheverhältnis, so dass die Vereinbarung über den Verkauf der Aktien als entgeltliche Veräußerung zwischen fremden Dritten zu behandeln war.
Aus dem Umstand, dass die Aktien bereits Ende 2012 wertlos waren, ergibt sich keine andere steuerliche Beurteilung. Allein der Kursverfall der Aktien und deren Ausschluss vom Handel an der Börse (Delisting) im Jahr 2012 ohne Ausbuchung aus dem Depot des Steuerpflichtigen führten noch nicht zu einer Realisierung des Aktienverlusts. Dieser ist erst dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Aktien veräußert werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder ein Ersatztatbestand für die Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines dieser Tatbestände bereits vor dem Streitjahr erfüllt waren, lagen nicht vor.
Im Streitfall stellte die Veräußerung der (wertlosen) Aktien auch keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO dar. Denn der Steuerpflichtige hatte lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. Er verfolgte das Ziel, sich von den nahezu wertlosen Wertpapieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel war (sinnvoll) nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht die Veräußerung von Aktien ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. Der Steuerpflichtige hatte daher nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Daran ändert sich nichts dadurch, dass ein Verlustgeschäft vorliegt, denn auch Veräußerungsverluste werden vom Anwendungsbereich des § 20 EStG erfasst. Dabei steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seine Gesellschaftsanteile veräußert. Auch der Umstand, dass die Übertragung der (wertlosen) Aktien des Steuerpflichtigen mit der Verpflichtung des Erwerbs wertloser Aktien verknüpft wurde, führt nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch. Denn die gewählte Art der Veräußerung stellt eine durch das Gesetz eingeräumte Möglichkeit dar, die nicht gegen vom Gesetzgeber vorgegebene Wertungen verstößt, zumal mögliche Kurssteigerungen der vom Steuerpflichtigen erworbenen Aktien steuerverstrickt sind.