04.11.2021

Verlustfeststellung bei (nacherklärten) Einkünften nach § 23 EStG

Für nacherklärte Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften scheidet eine gesonderte Feststellung nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 i.V.m. § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 aus, wenn hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzungen der Verlustentstehungsjahre (Teil-)Verjährung eingetreten ist. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 steht dem nicht entgegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.7.2021 - IX R 29/19

EStG § 10d Abs 4 Sätze 4 u. 5, § 23 Abs 3 Sätze 7 - 9
AO § 169 Abs 1, § 179 Abs 3, § 370 Abs 1
FGO § 120, § 125


Streitig war, ob nacherklärte Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) gesondert festgestellt werden können. Dies hat der BFH im Streitfall verneint.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) dürfen Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG erzielt hat oder erzielt; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend (§ 23 Abs. 3 Satz 9  2. Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2007). § 23 Abs. 3 Satz 8 2. Halbsatz EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ist gemäß § 52 Abs. 39 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2007 auch in den Fällen anzuwenden, in denen am 01.01.2007 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Diese Voraussetzungen lagen auch im Streitfall vor.

Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG).

Im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9  2. Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8  2. Halbsatz EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) sind dies die nicht ausgleichbaren Veräußerungsverluste, vermindert um die nach § 10d Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag.

Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4  1. Halbsatz EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4  2. Halbsatz EStG).

Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG).

Nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 gilt § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG (i.d.F. des JStG 2010) erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird.

Nach diesen Maßstäben stand § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008) i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG einer Verlustfeststellung zum 31.12.2007 und 31.12.2008 entgegen. Denn § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist im Streitfall anwendbar. Eine Verlustfeststellung ist infolge der (insoweit) bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheide für 2007 und für 2008, denen keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu Grunde liegen, ausgeschlossen, da im Streitfall weder die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen nach Maßgabe der Änderungsvorschriften der AO, für den Erlass eines Ergänzungsbescheids noch die des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG vorlagen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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