09.02.2023

Vermietung und Verpachtung - Zurechnung der Einkünfte - Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil

1. Durch die Bestellung des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt der Nießbraucher ‑‑anstelle des Gesellschafters‑‑ die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn und soweit er aufgrund der ihm vertraglich zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte grundsätzlich in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken.
2. Entsprechendes gilt beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil. Der Quotennießbraucher erzielt nur dann die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen ‑‑und zwar auch solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen‑‑ nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 15. 11. 2022 - IX R 4/20

EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr. 6, § 21 Abs 1 S 1 Nr. 1
AO § 41 Abs 1
ErbStG § 13a Abs 4 Nr. 1
FGO § 11 Abs. 2, § 126 Abs 4
BGB § 1068, §§ 1068ff, § 1071


Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) sind demjenigen persönlich zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart erfüllt hat. Im Regelfall ist dies, wer die rechtliche oder tatsächliche "Macht" hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen; er muss grundsätzlich Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine entgeltliche Nutzungsüberlassung sein.

Auch ein Nutzungsrecht an dem Vermietungsobjekt kann zu einer persönlichen Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zum Nutzungsberechtigten führen.

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Quotennießbraucher Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks zugerechnet werden können, hat sich der BFH nun erstmals befasst.

Schließen sich mehrere Personen zu einer Personengesellschaft zusammen, um gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sind die Einkünfte den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen, wenn sie den Tatbestand der Einkunftsart in gesamthänderischer Verbundenheit verwirklichen. Ist die Gesellschaft Eigentümerin des Vermietungsobjekts und schließt sie auch den Vertrag über die Nutzungsüberlassung im eigenen Namen ab, sind die Gesellschafter zwar zivilrechtlich nicht unmittelbar aus dem Vertrag verpflichtet oder berechtigt. Dies hindert die anteilige persönliche Zurechnung der von der Gesellschaft erzielten Einkünfte jedoch nicht. Die Gesellschafter verwirklichen den Tatbestand auch in diesem Fall in gemeinschaftlicher Verbundenheit, da sie den Willen der Gesellschaft bilden.

Grundsätzlich können gemeinschaftlich, in gesamthänderischer Verbundenheit erzielte Einkünfte nur Gesellschaftern zugerechnet werden. Vorausgesetzt wird in der Regel die zivilrechtliche Gesellschafterstellung. Etwas anderes gilt jedoch beim Nießbrauch, denn dem Nießbraucher an einem Gesellschaftsanteil können die auf den Gesellschafter entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ganz oder zum Teil persönlich zuzurechnen sein, obwohl er zivilrechtlich kein Gesellschafter wird. Die Zurechnung setzt voraus, dass ihm (kraft seines Nießbrauchs) eine Stellung eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht. Erforderlich ist insoweit, dass dem Nießbraucher zusätzlich weitere Rechte (insbesondere Stimmrechte) eingeräumt werden, die seine Rechtsstellung der eines Gesellschafters hinreichend annähern.

Welche Voraussetzungen dafür beim Quotennießbrauch am Anteil eines Gesellschafters einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erfüllt sein müssen, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Bestellt der Gesellschafter einer gewerblich tätigen GbR (Mitunternehmer) einem Dritten an seinem Gesellschaftsanteil einen Nießbrauch, erzielt der Gesellschafter als Mitunternehmer im Regelfall auch weiterhin die Einkünfte. Ihm verbleibt, soweit der Nießbrauch dem gesetzlichen Leitbild entspricht, ein hinreichender Bestand an vermögensrechtlicher Substanz und gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten, selbst wenn man davon ausgeht, dass der Nießbraucher ein das Mitwirkungsrecht des Gesellschafters ausschließendes eigenes Stimmrecht bei Beschlüssen der Gesellschafter über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechts notwendigen Kontroll- und Informationsrechte hat.

Eine Einkünftezurechnung beim Nießbraucher setzt voraus, dass diesem ‑ kraft der vertraglichen Vereinbarungen über die Nießbrauchsbestellung ‑ eine Position eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen ‑ d.h. im Sinne einer Gleichberechtigung ‑ entspricht. Ob der Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt oder (an seiner Stelle) der (Quoten-)Nießbraucher des Gesellschaftsanteils, hängt mithin grundsätzlich davon ab, ob nur der Gesellschafter nach außen auftritt oder ob beide die Leistungsbeziehung (das Nutzungsüberlassungsverhältnis) "im Außenverhältnis" beherrschen.

Kann auf das Außenverhältnis nicht abgestellt werden, weil der einzelne Gesellschafter das Nutzungsüberlassungsverhältnis nicht alleine (sondern nur gemeinschaftlich mit anderen Gesellschaftern) beherrscht, kommt es darauf an, ob und inwieweit der Nießbraucher insgesamt ‑ oder, beim Quotennießbrauch, "teilweise" ‑ anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben kann, so dass er den Gesellschafter bei der Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschaft wirksam beschränken kann und deshalb (auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Fruchtziehungsrechts) bei wirtschaftlicher Betrachtung selbst (gegebenenfalls "anteilig") als Gesellschafter anzusehen ist.

Seine Rechtsstellung muss mithin der des Gesellschafters vor allem im Hinblick auf die Ausübung der wesentlichen Stimm- und Verwaltungsrechte so angenähert sein, dass der Gesellschafter insoweit jedenfalls nicht ohne den Nießbraucher handeln kann. Maßgeblich ist in erster Linie die Vertragslage. Da zivilrechtlich nicht abschließend geklärt ist, welche Stimmrechte der Nießbraucher an einem Personengesellschaftsanteil nach dem gesetzlichen Regelstatut ausüben darf, bedarf es insoweit vertraglicher Regelungen. In zweiter Linie kommt es ‑ insbesondere bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen ‑ darauf an, ob das Vereinbarte (soweit wie möglich) dem zwischen Fremden Üblichen entspricht und auch tatsächlich umgesetzt worden ist.

Beim Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt der Nießbraucher ‑ anstelle des Gesellschafters ‑ die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn und soweit er aufgrund der ihm zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte grundsätzlich in der Lage ist, auch an sog. "Grundlagengeschäften" der Gesellschaft mitzuwirken. Einkommensteuerrechtlich erfordert eine Einkünftezurechnung zumindest eine gleichberechtigte Teilhabe des Nießbrauchers an der Willensbildung der Gesellschaft.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Besonderheiten eines Quotennießbrauchs. Auch in diesem Fall ist es erforderlich, dass der Nießbraucher in gleicher Weise wie der Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft mitwirken kann. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Nießbraucher nur einen Teil der laufenden Einkünfte für sich beanspruchen kann. Das nicht teilbare Stimmrecht muss einheitlich ausgeübt werden, auch wenn die (interne) Zuständigkeit zur Willensbildung kraft des Quotennießbrauchs auf zwei Personen entfällt.

Eine im Wesentlichen gleichberechtigte Stellung wird dem Nießbraucher in einem solchen Fall nur eingeräumt, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen ‑ und zwar auch solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen ‑ nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Im entschiedenen Streitfall fehlte es an der Berechtigung des Quotennießbrauchers, auch in Bezug auf die Grundlagengeschäfte der Gesellschaft mitzuwirken. Nach der Vertragslage sollten die Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft gemeinschaftlich ausgeübt werden. Bei einem Dissens musste sich der Gesellschafter der Stimme enthalten. Bei Fragen, welche die Grundlage der Gesellschaft oder den Kernbereich der Mitwirkungsrechte (z.B. Änderung der Gewinnbeteiligung oder des Auseinandersetzungsguthabens) betreffen, sollte dagegen das Stimmrecht unter Beachtung des Zustimmungsvorbehalts gemäß § 1071 des BGB allein vom Gesellschafter ausgeübt werden. Jedenfalls die letztgenannte Klausel vermittelt dem Nießbraucher keine Position, die ihn in die Lage versetzt, anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben (und ihn gegebenenfalls bei der Stimmabgabe zur Enthaltung zu zwingen), so dass die (dem Quotennießbrauch anteilig unterfallenden) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr dem Gesellschafter, sondern ihm zugerechnet werden könnten. Vielmehr haben die Vertragspartner damit zum Ausdruck gebracht, dass es nach ihrer Vorstellung Entscheidungen ‑ jenseits des Anwendungsbereichs des § 1071 Abs. 2 BGB ‑ geben könne, bei denen der Gesellschafter ohne Rücksicht auf den Nießbraucher allein mitwirken sollte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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